OGH-Entscheidung vom 22.11.2022, 4 Ob 197/22g

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein Verein österreichischer Rechtsanwälte. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der österreichischen Rechtsanwaltschaft, insbesondere im Rahmen des UWG.

Der Beklagte war früher als Anwalt tätig; verzichtete jedoch 2019 auf die Ausübung. Dennoch trat der Beklagte in Schreiben gegenüber Verwaltungsbehörden, die wie anwaltliche Schriftstücke gestaltet waren, aber auch gegenüber einem anderen Rechtsanwalt (den er als „Kollege“ titulierte) teils als Rechtsanwalt, teils als „Rechtsanwalt em“ (em = emeritiert; in Ruhestand versetzt) auf. Er verfolgte mit seinen Eingaben finanzielle, zivil- und verwaltungsrechtliche Interessen von früheren Mandanten und mit ihm befreundeten Personen, von denen er sich Vollmacht erteilen ließ und sich darauf auch gegenüber Außenstehenden berief.

Der klagende Verein sah darin einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht (UWG) und klagte auf Unterlassung.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, sich als „Rechtsanwalt em“ zu bezeichnen. Der dagegen erhobenen Revision gab der OGH nicht Folge.

Zum geschäftlichen Verkehr im Sinne des Wettbewerbsrechts genügt jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, soweit sie über eine rein private oder amtliche Tätigkeit hinausgeht. Gewinnabsicht ist nicht unbedingt erforderlich. Bloß „privates“ Handeln, wie etwa die Erteilung von Rat oder interne Formulierungshilfen, lag nicht vor, da der Beklagte nach außen hin als Parteienvertreter auftrat. Auch er tatsächlich kein Honorar dafür verlangt haben sollte, ersparten sich die von ihm vertretenen Personen die Inanspruchnahme von befugten Rechtsanwälten. Dem Beklagten war es erkennbar wichtig, seinen Interventionen durch den Hinweis auf seine Befugnis als Rechtsanwalt erhöhtes Gewicht zu verleihen; er stellte sich damit in unmittelbaren Wettbewerb mit jener tatsächlich zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft befugten Berufsgruppe.

Ein lauterkeitsrechtlich relevanter Rechtsbruch liegt nur vor, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht. Das Berufungsgericht erachtete einen Verstoß gegen § 8 Abs 4 RAO als gegeben: Die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ dürfen nur die in den Listen der Rechtsanwaltskammern eingetragenen Personen führen. Ziel dieser Bestimmung sei es jedenfalls, dass niemand, der die Berufsvoraussetzungen nicht erfülle, Dritten gegenüber mit dem Begriff „Rechtsanwalt“ Informationen in Bezug auf die eigene Person verbinde. Auch die Bezeichnung „Rechtsanwalt em“ enthalte immer noch einen Hinweis auf die frühere Befähigung, als Rechtsanwalt aufzutreten. Das Berufungsgericht hielt es nicht für vertretbar, dass ein früherer Rechtsanwalt mit guten Gründen der Auffassung sein könnte, zur festgestellten Verwendung der Bezeichnung „Rechtsanwalt“, mit oder ohne Zusatz „em“, im Auftreten nach außen in rechtlicher Vertretung von Dritten und der Verfolgung von deren Interessen berechtigt zu sein.

 

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