OGH-Entscheidung vom 6.4.2022, 6 Ob 138/21v

 

Sachverhalt:

Die Klägerin hatte einen Autounfall und ließ ihr Auto schwer beschädigt an der Unfallstelle zurück. Der Beklagte schleppte das Auto über Auftrag eines Polizeiorgans auf sein Betriebsgelände ab. Die Klägerin begehrte vor Gericht die Herausgabe des Autos; sie habe die geforderten Kosten der Abschleppung bezahlt, obwohl sie diesbezüglich keine Rechtspflicht getroffen habe. Der Beklagte machte die Herausgabe des PKW aber auch von der Bezahlung von Standgebühren abhängig und wendete ein, dass er von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Bezahlung von Standgebühren. Dem Beklagten komme ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB für den ihm zu ersetzenden angemessenen Verwahrungsaufwand zu.

Das Berufungsgericht stellte hingegen fest, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, dem Beklagten vor Erlassung eines Kostenvorschreibungsbescheids nach § 89a Abs 7 StVO Standgebühren zu bezahlen und gab dem Herausgabebegehren statt. Es vertrat die Ansicht, dass sich die Abwicklung des Falles nicht nach Vertragsrecht, sondern nach den Bestimmungen des § 89a StVO richte.

Der OGH gab der Revision des Beklagten Folge. Für den Klagsanspruch sei der Rechtsweg unzulässig (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO). Die Kompetenz der ordentlichen Gerichte hängt davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der nicht ausdrücklich durch das Gesetz vor eine andere Behörde verwiesen wird (§ 1 JN). Das Abschleppen und die Verwahrung des Kraftfahrzeugs durch den Beklagten ist in Vollziehung der StVO erfolgt: Gemäß § 89a Abs 2 StVO hat die Behörde die Entfernung eines Gegenstands ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, wenn […] der Verkehr beeinträchtigt wird. Die Behörde hat innerhalb einer Frist von einer Woche nach dem Entfernen des Gegenstands den Eigentümer bzw. Zulassungsbesitzer aufzufordern, den Gegenstand innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu übernehmen. Das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstands erfolgt auf Kosten des Zulassungsbesitzers und sind bei der Übernahme des Gegenstands zu bezahlen. Wird der Gegenstand nicht fristgerecht übernommen oder die Bezahlung der Kosten verweigert, so sind die Kosten dem Zulassungsbesitzer mit Bescheid vorzuschreiben.

Die Entfernung von Hindernissen auf Straßen im Sinn des § 89a Abs 2 StVO stellen eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Auch die Verwahrung ist ein in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt ergangener Verwaltungsakt, der als solcher bekämpft werden kann. Das verwahrte Kraftfahrzeug ist dem Zulassungsbesitzer oder dessen Erfüllungsgehilfen (Beauftragten) von einem der Behörde zuzurechnenden Organ zu übergeben (dies kann auch ein Privatunternehmen sein – „Abschleppdienst“). Die Behörde hat das Kraftfahrzeug dem Zulassungsbesitzer oder einer von diesem ermächtigten Person – sowohl bei Zahlung der Kosten vor Ort als auch bei Weigerung – auszufolgen. Ein Zurückbehaltungsrecht der Behörde besteht nicht. Somit darf die Herausgabe des Fahrzeugs bei Ablehnung der Zahlung nicht verweigert werden. Bei der Übernahme des Kraftfahrzeugs zu Unrecht bezahlte Kosten sind durch Klage nach § 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen.

Der Beklagte war lediglich mit der Vollziehung hoheitlicher Aufgaben betraut, sodass er insoweit als Organ der für die Straßenpolizei zuständigen Behörde tätig war. Bei der vorliegenden Streitigkeit über die Rechtmäßigkeit der verweigerten Herausgabe des Fahrzeugs handelt es sich daher um eine Angelegenheit der Verwaltung, für die der ordentliche Rechtsweg nicht offensteht. Die Revision wegen Nichtigkeit hatte daher Erfolg und die Klage wurde zurückgewiesen.

 

 

Link zur OGH-Entscheidung

 

 

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