OLG Wien-Entscheidung vom 14.07.2025, 33 R 105/25s

 

Sachverhalt:

Im Januar 2020 gründete ein französischer Unternehmer die Gesellschaft „Ventio“, die Antragstellerin, als französische SAS. Bereits Ende Dezember 2019 hatte er verschiedene Internet-Domains mit dem Bestandteil „Ventio“ registriert. Das Geschäftsfeld umfasste Computerdienste für die Indizierung, Speicherung und Verarbeitung sensibler Daten sowie Beratungsleistungen in diesem Bereich.

Die Antragsgegnerin ließ 2021 eine österreichische Wortbildmarke mit dem Wortbestandteil „Ventio“ für die Klassen 9, 35 und 42 eintragen:

Die französische Antragstellerin sah hierin eine Verletzung ihrer Unternehmensbezeichnung und beantragte die Löschung der Marke. Sie argumentierte, zwischen ihrer Unternehmensbezeichnung und der Wortbildmarke bestehe hochgradige Ähnlichkeit, die Geschäftsgebiete seien praktisch identisch und sie habe ihre Bezeichnung bereits vor dem Prioritätsdatum in Österreich geschäftlich verwendet.

Die Antragsgegnerin bestritt eine relevante Vorbenutzung in Österreich. Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts wies den Löschungsantrag ab, da die Antragstellerin keine geschäftliche Benutzung ihrer Unternehmensbezeichnung in Österreich vor dem Prioritätsdatum nachgewiesen habe. Dagegen erhob die Antragstellerin Berufung.

 

Entscheidung:

Das OLG Wien bestätigte die Abweisung des Löschungsantrags.

Gemäß § 32 Abs 1 MSchG kann ein Unternehmer die Löschung einer Marke begehren, wenn seine Firma oder Unternehmensbezeichnung ohne seine Zustimmung als Marke registriert wurde und die Benutzung der Marke Verwechslungsgefahr hervorrufen würde. Ein ausländisches Unternehmen kann einen solchen Antrag jedoch nur dann erfolgreich stellen, wenn es seine Bezeichnung vor dem Prioritätsdatum der angegriffenen Marke in Österreich so in Gebrauch genommen hat, dass daraus auf den Beginn einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung im Inland geschlossen werden kann. Aus der bloßen Zugänglichkeit einer Website nicht geschlossen werden kann, dass sich die darauf angezeigten Angebote an Adressaten in diesem Gebiet richten.

Die Website der Antragstellerin verzeichnete zwischen Januar 2020 und Februar 2021 insgesamt 100 Zugriffe aus Österreich. Das Gericht bewertete dies als irrelevant, da der bloße Umstand, dass die Website von Personen in Österreich aufgerufen werden konnte, keine Rückschlüsse auf geschäftliche Aktivitäten im Inland erlaube. Ein wissenschaftlicher Vortrag an der TU Graz vor etwa 20 Personen sei lediglich eine Vorstellung vor einem sehr kleinen Personenkreis, aus der sich nicht ableiten lasse, dass eine dauernde wirtschaftliche Betätigung in Österreich beabsichtigt oder begonnen worden sei. Auch für einen Europäischen Kongress für Radiologie mit 1.136 Teilnehmern aus Österreich gelte dasselbe.

Das OLG kam zu dem Schluss, dass die Antragstellerin ihre Bezeichnung vor der Markenanmeldung in Österreich nicht in einer Weise in Gebrauch genommen habe, die auf eine dauernde wirtschaftliche Betätigung im Inland schließen lasse. Dieses Ergebnis werde durch die Tatsache bestätigt, dass die Antragstellerin bis zum Schluss der Verhandlung im November 2024 keine Kunden in Österreich hatte.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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