OLG Wien-Entscheidung vom 28.5.2025, 3 R 54/25w
Sachverhalt:
Im April 2024 fand die Arbeiterkammer-Wahl statt. Die Beklagte, Medieninhaberin einer Website, veröffentlichte im Vorfeld einen Artikel, in dem sie behauptete, das Wahlgeheimnis bei der Briefwahl sei „löchrig“. Begründet wurde dies damit, dass auf den Rücksendekuverts der Betrieb des Wählenden vermerkt sei, sodass die Stimme nicht anonym zurückgeschickt werden könne. Der Artikel erklärte weiters, nur durch persönliche Stimmabgabe im Wahllokal könne das Wahlgeheimnis gewahrt werden.
Die Arbeiterkammer klagte auf Unterlassung und Widerruf. Sie sah in den Äußerungen unwahre Tatsachenbehauptungen, die sowohl ehrenbeleidigend als auch kreditschädigend seien.
Entscheidung:
Das Handelsgericht Wien gab der Klage vollumfänglich statt und verpflichtete die Beklagte, einen Widerruf für drei Monate auf der Startseite ihrer Website im sichtbaren Bereich zu veröffentlichen. Die Beklagte bekämpfte dieses Urteil mit Berufung. Sie argumentierte, es handle sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile, für die ein Anspruch auf Widerruf nicht bestehe. Zudem sei die Anordnung zur Veröffentlichung des Widerrufs überschießend.
Das OLG Wien bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Nach Ansicht des Gerichts vermittelte der Artikel für den unbefangenen Durchschnittsleser den Eindruck, das Wahlgeheimnis bei der Arbeiterkammerwahl sei nicht ausreichend gewahrt. Wer dreimal ausdrücklich ein „löchriges“ Wahlgeheimnis behauptet und als einzige Abhilfe die persönliche Stimmabgabe empfiehlt, teilt dem Publikum als gesichert mit, dass die Briefwahl nicht anonym sei. Damit handle es sich nicht bloß um eine subjektive Wertung, sondern um eine Tatsachenbehauptung, die im Kern unwahr sei.
Die wiederholte Behauptung eines „löchrigen“ Wahlgeheimnisses sei sachlich unrichtig und geeignet, den Ruf der Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu schädigen und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Wahlorganisation zu unterminieren. Die Beklagte habe fahrlässig gehandelt, indem sie keine Stellungnahme der Klägerin eingeholt und bestehende Informationen nicht berücksichtigt habe.
Auch die Anordnung zur Art und Dauer der Veröffentlichung des Widerrufs hielt das Berufungsgericht für gerechtfertigt. Nur eine Platzierung auf der Startseite im ohne Scrollen sichtbaren Bereich gewährleiste eine gleich wirksame Richtigstellung. Angesichts der Tatsache, dass der beanstandete Artikel über zwei Wochen abrufbar war, sei auch die dreimonatige Veröffentlichungsdauer verhältnismäßig.
Die Berufung der Beklagten blieb daher erfolglos. Das OLG Wien bestätigte die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufs, dem die Beklagte nachkam:
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