OGH-Entscheidung vom 22.5.2025, 4 Ob 118/24t
Sachverhalt:
Die Klägerin und alle Beklagten bieten IT-Beratung und Softwarelösungen für Geschäftskunden an. In dieser Branche besteht eine enge Beziehung zwischen Kunden und Kundenbetreuern. Die Klägerin sah sich im Zuge eines groß angelegten Personalwechsels mit dem Weggang zahlreicher Mitarbeiter konfrontiert, die zur Zweitbeklagten, einem neu gegründeten Konkurrenzunternehmen, wechselten. Die Zweitbeklagte ist eine deutsche GmbH, die Erstbeklagte ihre 100%ige Tochtergesellschaft mit Sitz in Österreich. Die handelnden Personen bei den Beklagten waren zuvor teils in leitenden Positionen bei der Klägerin oder deren Muttergesellschaft tätig.
Die Klägerin brachte eine umfassende Klage ein: Sie begehrte Unterlassung wegen unlauterer Abwerbung von Mitarbeitern und Kunden sowie die Untersagung der Nutzung interner Unterlagen. Zudem sollte die Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus diesem Verhalten festgestellt und eine Veröffentlichung des Urteils ermöglicht werden.
Während einige Unterlassungsbegehren durch die Instanzen teilweise erfolgreich waren, stand im zweiten Rechtsgang das Feststellungsbegehren zur Haftung für künftig entstehende Schäden aus der Abwerbung im Mittelpunkt. Dieses Begehren konkretisierte die Klägerin im zweiten Rechtsgang durch eine Aufzählung von sieben „Elementen“ der fraglichen Abwerbeaktion, wie etwa dem Einsatz herabsetzender Aussagen, Druckausübung auf Mitarbeiter oder der Verwendung von Geschäftsgeheimnissen. Diese hätten zu schweren wirtschaftlichen Schäden geführt, die sich auch in Zukunft noch auswirken würden.
Die Klägerin formulierte ihr Begehren nun so:
Es wird festgestellt, dass die erst- und zweitbeklagten Parteien der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für sämtliche künftig fällig werdenden Ersatzansprüche haften, die der klagenden Partei aus folgenden Elementen der unlauteren Abwerbeaktion der beklagten Parteien – durchgeführt zwischen Herbst 2018 und jedenfalls Ende 2019 – entstehen:
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Der Verbreitung sittenwidriger, unwahrer, irreführender oder herabsetzender Behauptungen über die klagende Partei oder deren Konzerngesellschaften wie zB
– ganze Geschäftsbereiche der klagenden Partei oder ihrer Konzerngesellschaften würden zur erst- oder zweitbeklagten Partei wechseln oder hätten bereits gewechselt
– die klagende Partei oder ihre Konzerngesellschaften wären in Zukunft mangels Personals nicht mehr in der Lage Kunden zu betreuen
– die klagende Partei oder ihre Konzerngesellschaften wären bald zahlungsunfähig
– oder sinngleicher Behauptungen und/oder
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der unbefugten Verwendung vertraulicher Informationen oder Geschäftsgeheimnisse der klagenden Partei oder deren Konzerngesellschaften und/oder
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dem Belästigen oder unter Druck setzen von Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten der klagenden Partei zum Zwecke der Abwerbung und/oder
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der Verleitung von Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten der klagenden Partei zur Verletzung gegenüber der klagenden Partei bestehender dienstvertraglicher Verpflichtungen zum Zwecke der Abwerbung und/oder
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dem Ansprechen von Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten der klagenden Partei über leitende Angestellte der klagenden Partei zum Zwecke der Abwerbung und/oder
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der Ansprache von Kunden der klagenden Partei auf einen Wechsel zur Erst- und/oder Zweitbeklagten durch Einsatz unlauter von der klagenden Partei abgeworbener Mitarbeiter und/oder
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dem Versprechen an Kunden der klagenden Partei bei einem Wechsel zur Erst- und/oder Zweitbeklagten vom bisherigen Betreuerteam (der [Konzernname der Klägerin]) weiterbetreut zu werden.
Entscheidung:
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im Wesentlichen. Der OGH gab der Revision der Erst- und Zweitbeklagten jedoch statt und wies das Feststellungsbegehren in vollem Umfang ab.
Das angefochtene Urteil wurde dahin abgeändert, dass das Feststellungsbegehren (soweit nicht rechtskräftig zurückgewiesen) abgewiesen wurde. Die wesentlichen Gründe:
Eine Feststellungsklage muss das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis genau und zweifelsfrei bezeichnen. Dies ist nötig, damit das Urteil seine Aufgabe erfüllen kann, die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien verbindlich zu klären.
Das Feststellungsbegehren der Klägerin war auch zu unbestimmt: Bei einer Feststellungsklage wegen künftiger Schäden müssen die schädigenden Ereignisse inhaltlich und zeitlich konkret bezeichnet werden. Dies war hier nicht der Fall. Eine bloß beispielhafte Aufzählung unlauterer Methoden reicht nicht aus. Das Begehren nannte keinen konkreten Endzeitpunkt der Abwerbeaktion, machte nicht klar, welche Mitarbeiter durch welche unlauteren Handlungen zum Wechsel veranlasst wurden, und bezeichnete die angeblich missbrauchten Geschäftsgeheimnisse nicht näher. Die Klägerin hätte darlegen müssen, wann, wo und auf welche Weise solche Methoden gegenüber welchen Mitarbeitern zum Einsatz kamen.
Die Stattgebung eines Unterlassungsbegehrens bedeutet nicht automatisch, dass auch ein entsprechendes Feststellungsbegehren berechtigt ist. Denn Unterlassungsansprüche setzen (anders als Schadenersatzansprüche) kein Verschulden voraus. Ein Unterlassungsurteil belegt zwar die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens, begründet aber nicht automatisch einen Schadenersatzanspruch. Die Klägerin konnte sich daher nicht bloß auf das Unterlassungsurteil berufen, sondern hätte konkrete schädigende Handlungen und deren Folgen substantiiert darlegen müssen.
Der OGH betonte, dass das Feststellungsbegehren keinerlei Grundlage für eine Prüfung der Haftung biete, da nicht festgestellt wurde, ob das Verhalten der Beklagten überhaupt kausal für die behaupteten Schäden war. Die Klägerin hatte nicht dargetan, dass konkrete Mitarbeiterwechsel auf rechtswidriges Verhalten der Beklagten zurückzuführen seien.
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