OGH-Entscheidung vom 19.11.2024, 4 Ob 195/24s
Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine Fonds- und Finanzdatenanbieterin, zu deren Kunden unter anderem Banken, Versicherungen, Pensions- und Vorsorgekassen, etc zählen. Eine ehemalige leitende Angestellte der Antragstellerin ist nunmehr Angestellte der Antragsgegnerin. Sie war bei der Antragstellerin bei sämtlichen operativen Prozessen eingebunden, für die Kundenbetreuung zuständig, erste Ansprechpartnerin und im Vertrieb tätig. Die Mitarbeiterin hatte eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet, mit der sie sich gegenüber der Antragstellerin unter anderem verpflichtete, Geschäftsgeheimnisse der Klägerin absolut vertraulich zu behandeln.
Die (nunmehr) ehemalige Mitarbeiterin konnte sich noch Monate nach ihrem Ausscheiden in der Plattform der Antragstellerin einloggen. Sie griff mindestens 20 Minuten, allenfalls auch wesentlich länger auf Daten der Plattform zu. Ein Zusammenhang mit oder eine Notwendigkeit dieses Zugriffs wegen ihres früheren Dienstverhältnis bei der Antragstellerin bestand nicht.
Die Antragstellerin warf der Antragsgegnerin vor, dass diese mit Unterstützung der ehemaligen Mitarbeiterin aktiv und gezielt Kunden der Antragstellerin abwerbe. Die ehemalige Mitarbeiterin habe nach ihrem Ausscheiden wesentliche Teile, nämlich Kundendaten, Ansprechpartner, Fondsdaten und Zusatzdaten von der Plattform der Antragstellerin kopieren können. Dadurch würden die Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin verletzt werden.
Die Antragstellerin beantragte umfassende Maßnahmen im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zur Beweissicherung nach § 26i UWG und § 87c UrhG.
Entscheidung:
Das Rekursgericht wies in Abänderung mehrerer stattgebender Entscheidungen des Erstgerichts den Verfügungsantrag ab.
Der OGH gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.
Ein Geschäftsgeheimnis wird als eine Information definiert, die
- geheim ist, weil sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen zu tun haben, allgemein bekannt noch ohne Weiteres zugänglich ist,
- von kommerziellem Wert ist, weil sie geheim ist, und
- Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person ist, welche die rechtmäßige Verfügungsgewalt über diese Informationen ausübt.
Nach § 26b UWG reicht damit der bloße Geheimhaltungswille nicht (mehr) aus, um von einem gesetzlich zu schützenden Geheimnis auszugehen. Der Berechtigte muss auch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen treffen.
Im Verfahren hat der Inhaber eines Geheimnisses die in § 26b UWG normierten Voraussetzungen und damit auch die von ihm getroffenen Geheimhaltungsmaßnahmen offen zu legen.
Die Materialien führen als Beispiel für angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen „IT-Sicherheitsmaßnahmen“ an. Bei einem ausscheidenden Mitarbeiter muss dessen Zugang zum IT-System unverzüglich gesperrt werden, was im Anlassfall allerdings unterblieben ist.
Im Anlassfall stützt die Antragstellerin den Eingriff in ihre Geschäftsgeheimnisse nicht auf eine Verletzung während des aufrechten Dienstverhältnisses, sondern auf den Umstand, dass eine von ihr bereits gekündigte Mitarbeiterin noch Monate nach ihrem Ausscheiden auf vertrauliche Daten ungehindert zugreifen konnte. Dabei blendet die Antragstellerin aus, dass in einer solchen Konstellation es vom Dienstgeber durchaus zu erwarten war, naheliegende Geheimhaltungsmaßnahmen zu treffen. Die Antragstellerin hat selbst verabsäumt, sicherzustellen, dass die (nunmehr) unberechtigte Mitarbeiterin nach dem Ende des Dienstverhältnisses keinen Zugang zu Geschäftsgeheimnissen hat.
Die Mitarbeiterin hatte sich durch die Verpflichtungserklärung zwar zur Verschwiegenheit verpflichtet, anlässlich des Endes ihres Dienstvertrags wurde sie aber nicht an die weitere Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht erinnert. Es war ihr technisch vielmehr unbeschränkt möglich, sich noch Monate nach Beendigung ihres Arbeitsvertrags unbeschränkt in die Datenbank der Antragstellerin einzuloggen. Die Antragstellerin hat so gegen die sie treffende Obliegenheit verstoßen, das Geheimnis mit angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen zu schützen (§ 21b Abs 1 Z 3 UWG). Die Antragstellerin konnte sich daher im konkreten Fall nicht auf den gesetzlichen Geheimhaltungsschutz berufen.
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