OGH-Entscheidung vom 26.3.2025, 6 Ob 25/25g

 

Sachverhalt:

Eine österreichische Managerin und ehemalige Politikerin klagte ein serbisches Medienunternehmen wegen eines Artikels, der auf dessen Webportal in serbischer Sprache erschienen war. Der Artikel befasste sich mit der Klägerin und ihrem Ehemann, nachdem dieser als Wahlbeobachter in Serbien öffentlich Zweifel an der korrekten Abwicklung der dortigen Wahlen geäußert hatte. Die Klägerin begehrte die Unterlassung bestimmter darin enthaltener Behauptungen als ehrverletzend und kreditschädigend sowie die Veröffentlichung eines Widerrufs.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wandte österreichisches Recht an und gab der Klage statt. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur Ermittlung und Anwendung serbischen Rechts an das Erstgericht zurück.

Der OGH wies den Rekurs der Klägerin als unzulässig zurück. Er bestätigte dabei die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Frage des anwendbaren Rechts:

Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist nicht die Rom II-Verordnung, sondern das nationale Kollisionsrecht (§ 48 IPRG) anzuwenden (siehe etwa HIER und HIER im BLOG). Nach diesem gilt grundsätzlich das Recht des Staates, in dem die schädigende Handlung gesetzt wurde. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn eine „stärkere Beziehung“ zum Recht eines anderen Staates vorliegt. Dies wird von der Rechtsprechung dann angenommen, wenn der Schädiger typischerweise mit einer Schädigung jenseits der Grenzen des Handlungsstaats rechnen musste.

Im konkreten Fall verneinte das Gericht eine solche stärkere Beziehung zum österreichischen Recht: Der Artikel war in serbischer Sprache auf einer serbischen Website erschienen und damit erkennbar auf ein serbisches Publikum ausgerichtet. Der bloße Umstand, dass über Personen mit Wohnsitz in Österreich berichtet wurde, reicht nicht aus, um automatisch österreichisches Recht anzuwenden.

Der OGH stimmte dem Berufungsgericht dahingehend zu, dass nicht jede im Internet verbreitete Äußerung automatisch die Anwendung des Rechts jedes (beliebigen) Staats bewirken kann, sofern ein Angehöriger dieses Staats sich durch diese Äußerung als beschwert erachtet.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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