EuGH-Entscheidung vom 25.1.2024, Rechtssache C‑334/22

 

Sachverhalt:

Automobilhersteller Audi ist Inhaber der nachfolgend abgebildeten Unionsbildmarke, die u. a. für Land‑, Luft- und Wasserfahrzeuge sowie Teile dieser Waren der Klasse 12 eingetragen ist:

Der Beklagte verkaufte über eine Webseite Autoersatzteile. Im Rahmen dieser Tätigkeit machte er auch Werbung für Kühlergrills, die für ältere Fahrzeugmodelle von Audi der 1980er und 1990er Jahre gestaltet und gedacht waren, und bot sie zum Kauf an. Diese Kühlergrills enthielten ein Element, das für die Anbringung eines Emblems der Marke des Automobilherstellers Audi gedacht war.

Audi sah darin eine Markenrechtsverletzung und klagte auf Unterlassung, um das Angebot zum Kauf von nachgebauten Ersatzteilen zu unterbinden, bei denen die Form bestimmter Elemente der Marke AUDI teilweise oder vollständig entsprach.

Das mit dem Verfahren befasste Regionalgericht Warschau beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH sollte klären, ob die Vermarktung von Autoersatzteilen wie die fraglichen Kühlergrills eine „Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr“ darstellt, die die Funktionen der Marke AUDI beeinträchtigen kann.

 

 

Entscheidung:

Der EuGH bejahte die Vorlagefragen. Der Inhaber einer Unionsmarke kann Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit seiner Marke identisches Zeichen für identische Waren oder Dienstleistungen (Doppelidentität) zu benutzen, oder ein identisches oder ähnliches Zeichen für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Die Ausübung dieses Rechts muss jedoch auf Fälle beschränkt bleiben, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Wenn „doppelte Identität“ vorliegt, dh eine Benutzung identischer Kennzeichen für identische Waren, kommt es auf das Vorliegen von Verwechslungsgefahr nicht an. Dies habe jedoch das nationale polnische Gericht zu klären.

Des Weiteren hat der Inhaber einer bekannten Unionsmarke das Recht, die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, unabhängig davon, für welche Waren oder Dienstleistungen sie benutzt wird, wenn diese Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Der EuGH hielt fest, dass die Kühlergrills im vorliegenden Fall nicht vom Inhaber der Marke AUDI stammen und ohne seine Zustimmung auf den Markt gebracht wurden. Das hier fragliche Teil, das für die Anbringung des Audi-Emblems gedacht ist, ist in die Kühlergrills integriert. Es ist für das Publikum, das ein solches Ersatzteil kaufen will, sichtbar. Dies könnte laut EuGH einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem fraglichen Ersatzteil und dem Inhaber der Marke darstellen. Daher kann eine solche Benutzung die Funktionen der Marke, die u. a. darin bestehen, die Herkunft oder die Qualität der Ware zu garantieren, beeinträchtigen. Es ist von nationalen (polnischen) Gericht zu prüfen, ob das fragliche Teil des Kühlergrills mit der Marke identisch oder ähnlich ist und ob der Kühlergrill mit den vom Markenschutz umfassten Waren identisch oder ähnlich ist. Sofern das nationale Gericht eine Bekanntheit der gegenständlichen Marke von Audi annimmt, genießt sie verstärkten Schutz. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob die gegenüberstehenden Waren identisch, ähnlich oder verschieden sind.

Das verfahrensgegenständliche Element des Kühlergrills ermöglicht es, das Emblem von Audi auf dem Kühlergrill anzubringen. Der Beklagte wählte diese Form, um einen Kühlergrill vermarkten zu können, der dem Originalkühlergrill von Audi so ähnlich wie möglich ist. Wenn ein Zeichen, das mit einer Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, ein Element eines Autoersatzteils darstellt, das für die Anbringung des Emblems des Herstellers dieser Fahrzeuge auf diesem Ersatzteil gedacht ist und nicht zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke verwendet wird, sondern um so getreu wie möglich eine Ware dieses Inhabers darzustellen, fällt eine solche Benutzung dieser Marke folglich nicht unter den Rechtfertigungstatbestand des Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Unionsmarkenverordnung. Das Ausschließungsrecht des Markeninhabers wird durch ein solches Vorhaben nicht beschränkt. Denn dieser Fall kann nicht der Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware als Zubehör oder Ersatzteil gleichgestellt werden.

 

 

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