OGH-Entscheidung vom 22.8.2019, 4 Ob 127/19h

 

Sachverhalt:

Die Klägerin handelt auf Basis eines Lizenzvertrags mit Parfumprodukten, die sie unter Verwendung ua der Marken „BOSS“ und „JOOP!“ in den Verkehr bringt. Sie ist von der Markeninhaberin zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Verletzung von Markenrechten berechtigt worden.

Die Beklagte betrieb einen Online-Shop für Parfum- und Kosmetikprodukte und bot in diesem Rahmen auch Originalprodukte der genannten Marken an. Sie verschickte bestellte Waren in einem Karton, auf dem in gedrängter und durchmischter Anordnung neben anderen Marken auch die Klagsmarken aufgedruckt waren.

Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und begehrte die Unterlassung. Die Verwendung der Klagsmarken beeinträchtige ihre berechtigten Interessen, weil die Marken in einer ihrem Image als Luxusmarken nicht entsprechenden Weise genutzt werden. Die Vorgangsweise der Beklagten suggeriere eine nicht bestehende Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen und entspreche nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erlies die einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung jedoch ab. Der OGH wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin zurück. Aus der Begründung:

Die Wirkung der Erschöpfung des Markenrechts iSd Art 15 Abs 1 UMV bzw § 10b Abs 1 MSchG darin, dass der Kennzeicheninhaber den Weitervertrieb des unveränderten Originalprodukts durch Dritte nicht untersagen kann, wenn mit der Marke versehene konkrete Waren von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht wurden. Vom EuGH wurde bereits geklärt, dass von der Erschöpfung der Marke auch das Recht umfasst ist, die Marke zu benutzen, um in der Öffentlichkeit für diese Waren zu werben. Denn ein Wiederverkäufer, der Waren einer fremden Marke vertreibt, kann seine Kunden ohne Benutzung der Marke nicht hierauf hinweisen. Eine informative Benutzung der erschöpften Marke ist daher erforderlich.

Nach Ansicht des Rekursgerichts bewarb die Beklagte auf dem Versandkarton den Weitervertrieb der unveränderten Originalprodukte mit den Klagsmarken als Herkunftshinweis für weitere Einkäufe (produktbezogen) und benutze damit die Marke iSd Art 15 Abs 1 UMV bzw § 10b Abs 1 MSchG, selbst wenn sich im konkreten Karton nicht immer Waren der Klagsmarken befanden. Der OGH hielt diese Begründung für vertretbar.

Der OGH hielt weiters fest, dass von den Umständen des Einzelfalls abhängig sei, ob sich der Markeninhaber aus berechtigten Gründen der Markenbenutzung widersetzen darf. Ein berechtigter Grund liegt etwa dann vor, wenn der Wiederverkäufer mit seiner Werbung, für die er sich der Marke bedient, den irreführenden Eindruck erweckt, es bestehe eine wirtschaftliche Verbindung zwischen ihm und dem Markeninhaber. Dies wurde vom Rekursgericht vertretbar verneint. Auch die in Art 15 Abs 2 UMV bzw § 10b Abs 2 MSchG als Beispiele berechtigter Gründe angeführten Fälle, wonach der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist, liegen im Anlassfall nicht vor.

Der Umstand, dass ein qualitativ niedriger positionierter Wiederverkäufer in seiner Branche übliche Werbeformen für die mit der Marke versehenen Waren benutzt, selbst wenn diese nicht denen entsprechen, die der Markeninhaber selbst oder die von ihm ausgewählten Wiederverkäufer verwenden, erfüllt keinen berechtigten Grund iSd Art 15 Abs 2 UMV bzw § 10b Abs 2 MSchG, der es rechtfertigt, dass der Inhaber sich dieser Werbung widersetzt, sofern nicht erwiesen ist, dass die Benutzung der Marke in der Werbung des Wiederverkäufers den Ruf der Marke im konkreten Fall erheblich schädigt. Eine erhebliche Schädigung wurde im vorliegenden Fall verneint.