OGH-Entscheidung vom 23.9.2022, 4 Ob 40/22v

 

Sachverhalt:

Die Inhaberin folgender Unionsmarke „GLÜCK“ (Wort-Bild-Marke)

erhob Widerspruch gegen die Eintragung folgender österreichischen Wortbildmarke „GLÜCK IM GLAS DER KOSTBARE LADEN“:

Beide Marken sind für mehrere, teils identische Lebensmittel in der Warenklasse 30 eingetragen, die Widerspruchsmarke darüber hinaus auch für Getränke der Klasse 32.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen bejahten die Verwechslungsgefahr, gaben dem Widerspruch Folge und hoben die Registrierung der Marke der Antragsgegnerin zur Gänze auf. Der OGH befand den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin für zulässig, aber nicht berechtigt. Die Antragsgegnerin machte als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass auch im Widerspruchsverfahren berücksichtigt werden müsse, wenn der Widerspruchsmarke mangels Unterscheidungskraft überhaupt keine Kennzeichnungskraft zukomme. Damit sei nämlich jede Verwechslungsgefahr von vornherein logisch ausgeschlossen.

Kennzeichen, die keine Unterscheidungskraft haben, sind gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG von der Registrierung als Marke ausgeschlossen. Wurde eine Marke dennoch eingetragen, kann sie jederzeit amtswegig oder aufgrund eines Löschungsantrags gelöscht werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien ist dem Antragsgegner im Widerspruchsverfahren der Einwand verwehrt, dass die ältere Widerspruchsmarke keine Kennzeichnungskraft besitze, daher nicht schutzfähig sei und überhaupt nie hätte eingetragen werden dürfen. Der Oberste Gerichtshof hatte diese Rechtsfrage noch nicht zu entscheiden.

Das 2009 eingeführte Widerspruchsverfahren ist als in der Regel schriftliches Eilverfahren ausgestaltet. Es ist daher nicht für eine umfassende Prüfung des älteren Rechts geeignet. Das Gesetz regelt ausdrücklich, dass und wie der Antragsgegner im Widerspruchsverfahren einwenden kann, dass der Antragsteller seine Widerspruchsmarke nicht rechtserhaltend benutzt habe. Andere Einwendungsmöglichkeiten sehen die Gesetze nicht ausdrücklich vor. Der Gesetzgeber schuf damit offenbar bewusst weniger Einwendungsmöglichkeiten als im Löschungsverfahren.

Zusammengefasst kann daher im Widerspruchsverfahren vor der Rechtsabteilung des Patentamts nur der Einwand der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben werden; andere Bedenken gegen die Eintragung der Widerspruchsmarke können – allenfalls aufgrund eines Löschungsantrags des Antragsgegners – nur von der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts aufgegriffen werden.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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