EuGH-Urteil vom 3.9.2015, Rechtssache C-125/14

Sachverhalt:

Unilever ist Inhaberin der Gemeinschafts- und internationalen Wortmarke „IMPULSE“. Das ungarische Unternehmen Iron & Smith meldete eine nationale Wort-Bild-Marke „BE IMPULSIVE“ an. Unilever erhob gegen diese Markenanmeldung Widerspruch.

Das ungarische Patentamt stellte hinsichtlich der Gemeinschaftsmarke fest, dass die Bekanntheit der Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil der Union erwiesen sei, da Unilever die mit der in Rede stehenden Marke gekennzeichneten Erzeugnisse im Gebiet des Vereinigten Königreichs und Italiens in großen Mengen verkauft und bekannt gemacht habe. Somit bestehe die Gefahr, dass die Benutzung der angemeldeten Marke ohne rechtfertigenden Grund ermögliche, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke in unlauterer Weise auszunutzen. Die neu angemeldete Marke könne nämlich den durchschnittlich informierten Verbrauchern die Marke von Unilever in Erinnerung rufen. Dem Widerspruch wurde daher stattgegeben und die Markenanmeldung zurückgewiesen.

Iron & Smith erhob daraufhin Klage auf Abänderung der Entscheidung. Das zuständige Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die MarkenRL und die GemeinschaftsmarkenVO keinen Anhaltspunkt dafür enthielten, von welchem relevanten geografischen Gebiet innerhalb der Union für die Feststellung der Bekanntheit der Gemeinschaftsmarke auszugehen sei. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob, selbst bei Vorliegen einer solchen Bekanntheit, davon auszugehen sei, dass, wenn eine solche Marke in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht bekannt sei, die Benutzung der jüngeren Marke ohne rechtfertigenden Grund nicht ermögliche, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Gemeinschaftsmarke in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.

Dem EuGH wurde (zusammengefasst) die Frage vorgelegt, welche Voraussetzungen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens gegeben sein müssen, damit eine Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 als in der Union bekannt angesehen werden kann.

Entscheidung:

Der EuGH fasste zunächst aus seiner bisherigen Rsp zusammen, dass das nationale Gericht bei Prüfung dieser Voraussetzung alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen hat, also insbesondere den Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie den Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat. In territorialer Hinsicht ist die Voraussetzung der Bekanntheit als erfüllt anzusehen, wenn die Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls u.a. dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann. Sofern die Bekanntheit einer älteren Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets erwiesen ist, das gegebenenfalls dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann, ist daher davon auszugehen, dass diese Marke im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 „in der [Union] bekannt“ ist, und es kann vom Inhaber dieser Marke nicht verlangt werden, dass er diese Bekanntheit in dem Mitgliedstaat nachweist, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, gegen die Widerspruch erhoben wurde.

Im Übrigen wies der EuGH darauf hin, dass es unmöglich ist, im Vorhinein abstrakt festzulegen, auf welche Gebietsgröße bei der Prüfung der Frage, ob die Gemeinschaftsmarke ernsthaft benutzt wird, abzustellen ist.

Art. 4 Abs. 3 der RL 2008/95 ist dahin auszulegen, dass, sofern die Bekanntheit einer älteren Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets erwiesen ist, das gegebenenfalls mit dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats zusammenfallen kann, der nicht notwendigerweise der sein muss, in dem eine Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, davon auszugehen ist, dass diese Marke in der Union bekannt ist. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien betreffend die ernsthafte Benutzung der Gemeinschaftsmarke sind als solche für den Nachweis des Vorliegens einer „Bekanntheit““ im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser RL nicht maßgebend.

Der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke kann auch in Mitgliedsstaaten in denen seine Marke nicht bekannt ist Schutz genießen, sofern diese bereits in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets Bekanntheit erlangt hat, wenn sich herausstellt, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil dieser Verkehrskreise diese Marke kennt, sie mit der jüngeren nationalen Marke gedanklich verbindet und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles entweder eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung der Gemeinschaftsmarke im Sinne dieser Bestimmung vorliegt oder, wenn es daran fehlt, die ernsthafte Gefahr einer solchen künftigen Beeinträchtigung besteht.