OGH-Entscheidung vom 22.4.2022, 4 Ob 47/22y

 

Sachverhalt:

Die Klägerinnen sowie ein Verein betreiben beide internationale Privatschulen in Wien. 2016 schloss die beklagte Republik Österreich mit mehreren Internationalen Organisationen mit Sitz in Wien (UNO, IAEO, UNIDO, CTBTO) ein völkerrechtliches Abkommen (Staatsvertrag). Darin verpflichtete sich die Republik Österreich zur Sicherung des Standorts in Wien und zur (Mit-)Finanzierung angemessener Schulbildung für die Kinder von Angestellten. Eine Liegenschaft einschließlich Gebäuden und Ausstattung wurde zur Verfügung gestellt.

In weiterer Folge schlossen die Republik Österreich und der Verein über diese Liegenschaft einen Baurechtsvertrag bis 2044 zu einem jährlichen Baurechtszins von 1.282.368 EUR, wobei die Republik Österreich in einem Zusatzvertrag bis zum Jahr 2024 auf den 1 EUR übersteigenden Bauzins verzichtete.

Die Klägerinnen sahen darin einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG und begehrten, der beklagten Republik Österreich zu verbieten, die Liegenschaft dem Betreiber Schule, insbesondere dem Verein für einen Betrag unter 4 Mio EUR im Jahr oder eine sonstige Liegenschaft unter ihrem Marktwert zu überlassen.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerinnen zurück, denn der Unterlassungsanspruch scheitere im Anlassfall schon am notwendigen „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ bzw an der „Förderung fremden Wettbewerbs“.

Die Klägerinnen stützte sich beim behaupteten Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf eine unzulässige Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen den internationalen Schulen. Die Beklagte würde gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstoßen. Ebenso liege ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Beihilfenrecht vor (Fallgruppe „Rechtsbruch“ im UWG). Ein solcher Verstoß gegen das Durchführungsverbot nach Art 108 Abs 3 Satz 3 AEUV könne Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG begründen.

Der OGH führte dazu aus, dass dieser Tatbestand des UWG auch § 1 Abs 1 Z 1 UWG ein „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ voraussetzt. Dabei muss es sich nicht um die eigene Erwerbstätigkeit des in Anspruch Genommenen handeln. Ansprüche nach dem UWG können auch auf die Förderung fremden Wettbewerbs gestützt werden. Es kommt jedoch nicht mehr auf die Absicht an, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern auf die Eignung. Eine derartige tatbestandsrelevante Förderung fremden Wettbewerbs kommt nicht in Betracht, wenn bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt. In solchen Fällen scheitert ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch am fehlenden Handeln im geschäftlichen Verkehr auch dann, wenn einzelne Unternehmer aus solchen Maßnahmen mittelbar (bzw faktisch) als Reflexwirkung einen Vorteil ziehen.

Bei Leistungen der öffentlichen Hand, die im überwiegenden öffentlichen Interesse erbracht werden, wird der unternehmerische Charakter und damit ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Allgemeinen verneint. Ein Verstoß gegen das UWG lag laut OGH hier schon deshalb nicht vor, weil die Republik Österreich durch die Überlassung der Liegenschaft ihre völkerrechtliche Verpflichtung gegenüber den Internationalen Organisationen aus dem Staatsvertrag erfüllt hat. Dass die Beklagte durch die Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen damit allenfalls auch faktisch den Wettbewerb des Vereins förderte, ist ein bloßer Reflex dieser eindeutig einem anderen Zweck dienenden Tätigkeit. Auch ein unlauterer Rechtsbruch liege mangels Handelns im geschäftlichen Verkehr nicht vor.

 

 

 

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