OGH-Entscheidung vom 27.5.2021, 4 Ob 61/21f

 

Sachverhalt:

Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ klagte die Medieninhaberin/Geschäftsführung von „Österreich“ und „oe24“ sowie die Medieninhaberin und Fernsehveranstalterin des Senders „oe24.TV“ auf Unterlassung.

Auf „oe24.TV“ wird täglich die politische Talkshow „FELLNER! LIVE“ ausgestrahlt. Im deutschen Sprachraum gibt es keine vergleichbare Sendung dieser Frequenz. Im September 2019 lag (je nach Zielgruppe) der Marktanteil von „FELLNER! LIVE“ bei maximal 0,51 %.

In der Zeitung der Beklagten wurde ein Artikel veröffentlicht, in dem berichtet wurde, dass „FELLNER! LIVE“ „die derzeit erfolgreichste Talk Show im TV“ sei.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht wies die gesamte Klage wiederum ab. Im beanstandeten Artikel gehe es nicht um Reichweiten-Werbung für einen TV-Sender, sondern darum, Interesse an einem neuen Radio-Programm zu wecken. Der Durchschnittsleser entnehme der beanstandeten Aussage keine ernst zu nehmende Tatsachenbehauptung. Der OGH befand die außerordentliche Revision der Klägerin für unzulässig.

Werbung mit einer Spitzenstellung ist ein Sonderfall vergleichender Werbung. Die Frage, ob eine bestimmte Werbeaussage eine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung oder nur eine rein subjektive Meinungskundgebung ist, ist immer nach dem Gesamteindruck der Ankündigung zu beurteilen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die beanstandete Textpassage werde bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des Artikels (Bewerbung einer neuen Radiosendung) vom Publikum nicht als ernst zu nehmende Tatsachenbehauptung über die Spitzenstellung einer Fernsehsendung, gemessen an ihrer Reichweite, aufgefasst, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und wurde vom OGH nicht als krasse Fehlbeurteilung aufgefasst. Ein Zusammenhang zwischen dem behaupteten „Erfolg“ der Sendung und deren Reichweite werde im Text nicht hergestellt. Der Erfolg einer Fernseh-Talkshow lässt sich auch nicht einfach an deren Reichweite messen, sondern es sind auch andere Kriterien wie Prominenz der Besucher, Anzahl der Berichte über die Sendung in anderen Medien uä einzubeziehen. Zudem gibt es im deutschen Sprachraum kein gleichartiges Sendeformat, womit auch insoweit ein auf Tatsachen beruhendes „Ranking“ ausscheidet. Die Beklagten stellen keinen Bezug zu einer Analyse oder einem sonstigen Ranking her, das objektiv überprüfbar wäre. Es blieb daher bei der Klagsabweisung.

 

Link zum Entscheidungstext

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Werbung mit Spitzenstellung und Reichweiten:

Irreführende Werbung einer Tageszeitung mit Auflagezahlen (Spitzenstellungsbehauptung)

Werbung mit zeitlicher Spitzenstellung

Beweislastverteilung bei Spitzenstellungswerbung; keine Beweisregel zur höheren Glaubwürdigkeit von wissenschaftlichen Studien

Spitzenstellungswerbung „Image der Tageszeitungen“

Irreführende Werbung mit Auflagenzahlen

Ankündigung „Die Lieblingszeitung der Salzburger“ nicht irreführend bei Anführung der richtigen und höchsten Verkaufszahlen

Werbung mit Reichweitenvergleich: Nur tatsächlich auf dem Markt existierende Produkte müssen miteinbezogen werden

Werbung mit Reichweitenangaben darf nicht irreführend sein. Strenger Maßstab gilt auch bei Werbung an Fachkreise.

Die Reichweitenuntersuchungen der Media-Analyse sind nicht irreführend