OGH-Entscheidung vom 30.3.2020, 4 Ob 42/20k

 

Sachverhalt:

In der „Kronen Zeitung“ wurden Reichweitenangaben aus der Media Analyse 2018/19 anhand folgender Grafik veröffentlicht:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Die Reichweiten der einzelnen Tageszeitungen waren grundsätzlich richtig wiedergegeben. Die Medieninhaberin der Tageszeitungen „Österreich“ (Kaufzeitung) und „oe24“ (Gratiszeitung) klagte die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ dennoch auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Denn in der Media Analyse 2018/19 wurden nicht nur die LeserInnen der einzelnen Tageszeitungen angeführt, sondern auch ein Wert für die „Österreich/oe24-Kombi“. Diese „Kombi-Angabe“ bezog sich jedoch auf kein selbständiges Produkt, sondern weist die um DoppelleserInnen bereinigten Leserzahlen für „Österreich“ und „oe24“ aus. (Bis Juni 2018 trug die Gratiszeitung „oe24“ ebenfalls den Namen „Österreich“.)

Die Klägerin war der Ansicht, dass die unterlassene Veröffentlichung dieser „Kombi“-Daten irreführend und wahrheitswidrig war.

 

Entscheidung:

Der Sicherungsantrag wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen. Denn die beanstandete Veröffentlichung beziehe sich nur auf Tageszeitungen und gebe die Reichweiten der darin angeführten Tageszeitungen richtig wieder. Die Angabe einer Reichweite, die sich auf ein in Wahrheit gar nicht existierendes Produkt beziehe, sei nicht relevant. Die beanstandeten Äußerungen der Beklagten seien daher weder irreführend noch herabsetzend.

Der OGH schloss sich der Begründung der Vorinstanzen an. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin wurde mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Die Klägerin war trotz Veröffentlichung der korrekten Zahlen für die einzelnen Tageszeitungen der Ansicht, dass die Reichweitenangaben unvollständig und daher irreführend (§ 2 UWG) und wahrheitswidrig (§ 7 UWG) gewesen seien, weil der in der Media Analyse 2018/19 angegebene Wert für die „Kombi“ nicht ausgewiesen wurde.

Der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es für den wirtschaftlichen Erfolg und die Werbewirksamkeit einer Zeitung vor allem auf die Reichweite (Leserzahl) des jeweiligen Druckwerks ankommt, weil dieser Wert einen aussagekräftigen Schluss auf die tatsächlich erreichten Personen zulässt. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung richtet sich der Bedeutungsinhalt einer Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein aufmerksamer Durchschnittsadressat gewinnt. Die Irreführungseignung nach § 2 UWG sowie auch ein tatsachenwidriger Eindruck im Rahmen einer Beurteilung nach den §§ 1 und 7 UWG kann durch objektiv unrichtige oder täuschende Angaben oder durch unvollständige Angaben herbeigeführt werden, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein fälschlicher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten.

Der OGH bestätigte die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach in einen Reichweitenvergleich nur auf dem Markt tatsächlich existierende Produkte einzubeziehen seien und es sich bei der Reichweite für die auf dem Markt nicht existente „Kombi“ um keine wesentliche Information (iSd § 2 Abs 4 UWG) handle.

Das durch einen Reichweitenvergleich von Tageszeitungen angesprochene Publikum erwartet eine aussagekräftige Mitteilung darüber, von wie vielen Personen eine bestimmte Zeitung tatsächlich gelesen wird. Die Publikumserwartung bezieht sich dabei auf ein reales, auf dem Markt erhältliches Produkt.