OGH-Entscheidung vom 11.8.2015, 4 Ob 80/15s

Sachverhalt:

Die Medieninhaberin der Tageszeitung „Österreich“ (Beklagte) warb in einer Ausgabe damit, dass sie „mit der heutigen Ausgabe“ ihrer Tageszeitung eine Auflagenzahl von 1,3 Mio erreicht habe.

Die Medieninhaberin der Tageszeitung „Heute“ (Klägerin) klagte u.a. auf Unterlassung. Sie hielt die Werbeaussage für irreführend, da die von „Österreich“ angestrebte Deutung, dass dies nur für die Ausgabe an diesem speziellen Tag (aus Anlass einer eintägigen Werbeaktion) gelte, für Adressaten dieser Werbung nicht deutlich hervorging.

Entscheidung:

Der OGH wies den ao. Revisionsrekurs der Beklagten zurück. Aus der Begründung:

Ob eine Mitteilung im Einzelfall eine objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptung oder eine rein subjektive, unüberprüfbare Meinungsäußerung enthält, muss unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in den die Äußerung gestellt wird, der Form, in der sie gebracht wird, des Gegenstands, den sie betrifft, und aller sonstigen Umstände, die für den Eindruck auf das angesprochene Publikum maßgebend sein können, beurteilt werden. Der Beurteilung eines Werbetexts sind nicht einzelne Teile für sich, sondern der Text in seiner Gesamtheit zu unterziehen.

Die gegenständliche Aussage der Beklagten, sie habe „mit der heutigen Ausgabe“ ihrer Tageszeitung eine Auflagenzahl von 1,3 Mio erreicht, erweckt den Gesamteindruck, dass dies der Gipfel eines Entwicklungsprozesses sei. Die von der Beklagten angestrebte Deutung, dass dies nur für die Ausgabe an diesem speziellen Tag (aus Anlass einer eintägigen Werbeaktion) gelte, muss nach der Unklarheitenregel ausscheiden: Die Wendung „mit“ impliziert nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nämlich, dass es sich um einen länger andauernden Wachstumsprozess gehandelt hat, der „mit“ dem heutigen Tag zu einem Ergebnis von 1,3 Mio geführt hat. Nach dem maßgeblichen Gesamteindruck können die Worte „größer und erfolgreicher ist derzeit keine andere Zeitung“ weder als „nur heute keine andere Zeitung“, noch als vom vorangehenden Text losgelöstes Werturteil verstanden werden, sondern als kausale Schlussfolgerung dahingehend, dass die Beklagte eben wegen ihrer hohen Auflage größer und erfolgreicher ist.

Auch das Verschweigen von Umständen kann irreführend iSd § 2 UWG sein, wenn dadurch ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten. Dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr ist. Die Nachfrage nach einer Zeitung ist eine nachprüfbare Eigenschaft; sie wird durch die verbreitete Auflage und die Reichweite konkretisiert. Die Relevanz liegt in der Werbewirksamkeit darin veröffentlichter Anzeigen. Dabei kommt der Reichweite ein deutlich stärkeres Gewicht zu, weil die bloße Auflagezahl keinen aussagekräftigen Schluss auf die tatsächlich erreichten Personen zulässt. Wird daher die Druckauflage als allein maßgebendes Kriterium für die Spitzenstellung dargestellt, liegt darin eine irreführende Geschäftspraktik. Ein Unternehmen, das sich als das „größte“ bezeichnet, muss in den für den angegebenen Bereich maßgeblichen Belangen einen erheblichen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern haben und entsprechend leistungsfähiger sein. Der Vorsprung muss deutlich und stetig sein.

Die Beklagte warb für ihre Tageszeitung mit einer Spitzenstellung, wobei das dafür herangezogene Kriterium der Auflagenzahl tatsächlich nur an einem einzigen Tag erreicht wurde, die Auflage sonst aber deutlich hinter jener der Konkurrenz zurücklag. Es bestand kein über einen längeren Zeitraum hinweg gegebener stetiger Vorsprung.

Wird mit einer Tagesauflage an einem bestimmten Stichtag geworben, muss darauf hinweisen werden, welcher Durchrechnungszeitraum gewählt wurde und dass es sich nicht um einen statistischen Mittelwert handelt.