EuG-Urteil vom 2.4.2025, T‑ 220/24
Sachverhalt:
In diesem Verfahren ging es um ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für einen sogenannten „Profilstab“, also ein standardisiertes Bauteil, das u.a. im Maschinen- und Anlagenbau Verwendung findet:
Die SMT GmbH brachte beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung dieses Geschmacksmusters ein. Im Wesentlichen wurde der Antrag auf Nichtigerklärung damit begründet, dass das angegriffene Geschmacksmuster nicht neu sei und keine Eigenart besitze, dass sämtliche Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch die technische Funktion eines Profilstabs bedingt seien und dass das Geschmacksmuster Erscheinungsmerkmale eines Profilstabs betreffe, die, damit er mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden werden könne, zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssten.
Die Antragstellerin argumentierte auch damit, dass das angegriffene Muster einem älteren Geschmacksmuster stark ähnele:
Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO gab dem Antrag zunächst statt. Die Beschwerdekammer des EUIPO hob diese Entscheidung jedoch auf und wies den Antrag auf Nichtigerklärung ab. Dagegen klagte die SMT GmbH vor dem EuG.
Entscheidung:
Das EuG wies die Klage ab und bestätigte die Entscheidung der EUIPO-Beschwerdekammer.
Das angegriffene Geschmacksmuster hinterlässt trotz Ähnlichkeiten mit älteren Gestaltungen einen anderen Gesamteindruck beim informierten Benutzer. Entscheidende Unterschiede lagen laut EuG insbesondere in der Form der zentralen Aussparung (rechteckig vs. rund), der Gestaltung der Eck-Aussparungen, sowie in der Anordnung der Profilnuten.
Zwar sei die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers im Bereich der Profilstäbe technisch bedingt eingeschränkt, dies gelte aber nicht für sämtliche Merkmale. Gerade in Bereichen mit geringer Standardisierung (wie z.B. der zentralen Aussparung) könne bereits ein geringer Unterschied zu einem abweichenden Gesamteindruck führen. Das Muster weist somit Eigenart auf (Art 6 GGV).
Der Einwand der Klägerin, das Geschmacksmuster sei allein technisch bedingt und daher nicht schutzfähig, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Der Profilstab an sich sei kein mechanisches Verbindungselement im Sinne von Art 8 Abs 2 GGV. Seine Verbindung durch Schrauben oder Nutensteine ändere daran nichts. Auch liege kein Fall eines modularen Systems (Art 8 Abs 3 GGV) vor, in dem eine Ausnahme vom Ausschluss technischer Merkmale greifen könnte.
Das EuG lehnte es ebenfalls ab, den Profilstab als Bauteil eines komplexen Erzeugnisses im Sinne des Art 4 Abs 2 GGV anzusehen. Zwar könne ein Einzelteil grundsätzlich auch ein Bauelement darstellen, dies setze aber voraus, dass es sich nicht um ein eigenständiges Produkt mit allgemeiner Verwendung handle, sondern um ein konkret in ein komplexes Erzeugnis eingebautes und bei dessen Gebrauch sichtbares Teil. Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht des Gerichts hier nicht erfüllt.
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