OLG Linz-Entscheidung vom 13.5.2025, 4 R 64/25x

 

Sachverhalt:

Die Antragstellerin importiert und vertreibt Gesundheitsprodukte. Die Antragsgegnerin handelt mit medizinischen Produkten. Die beiden Geschäftsführer der Antragsgegnerin waren frühere leitende Angestellte der Antragstellerin. Diese hatten während ihrer Anstellung ein neues Unternehmen gegründet und wurden von der Antragstellerin beschuldigt, Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin unrechtmäßig verwendet zu haben.

Insbesondere soll einer der Geschäftsführer während laufender Vertragsverhandlungen mit einem niederländischen Lieferanten Informationen an die neugegründete GmbH weitergeleitet und dort exklusiv weiterverwendet haben. Außerdem soll der andere Geschäftsführer Kundendaten und Geschäftskorrespondenz von seiner dienstlichen E-Mail-Adresse an seine private Adresse weitergeleitet haben. Es bestand zudem der Verdacht, dass Geschäftsunterlagen, Prüfberichte und Geräte unrechtmäßig zur neuen GmbH transferiert wurden.

Die Antragstellerin beantragte daher eine einstweilige Verfügung nach § 26i UWG, um umfangreiche Beweissicherungsmaßnahmen zu erwirken. Darunter die Durchsuchung von Geschäftsräumen und Wohnungen, Beschlagnahme von Geräten und Sicherung elektronischer Daten durch einen Sachverständigen.

 

Entscheidung:

Das Landesgericht Linz wies den Antrag ab. Das OLG Linz wies den Rekurs der Antragstellerin zurück und bestätigte die Abweisung des Sicherungsantrags.

Zentraler Grund für die Abweisung war das Fehlen einer ausreichenden Gefährdungsbescheinigung, dh die Bescheinigung einer konkreten Gefahr der Beweismittelvernichtung oder -verheimlichung. Die Antragstellerin hatte nur pauschal behauptet, die Antragsgegnerin könne Daten löschen, wenn sie von einem gerichtlichen Verfahren erfahre. Das OLG betonte hier, dass die allgemeine Möglichkeit der Datenlöschung nicht ausreicht und es konkreter Anhaltspunkte bedarf. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass Beweise tatsächlich vernichtet werden sollen.

Selbst bei unterstellter Gefährdung wären die beantragten Maßnahmen laut Gericht unverhältnismäßig gewesen. Insbesondere die begehrten Eingriffe (Durchsuchung von Wohnungen, Sicherstellung von Mobiltelefonen, Datenspiegelung) wären mit massiven Grundrechtseingriffen (Art 8 EMRK, Art 3 EMRK, Datenschutz, Hausrecht) verbunden gewesen. Die Antragstellerin habe keine milderen, gleich geeigneten Alternativen dargelegt. Das OLG verwies auf den rechtsstaatlichen Grundsatz, dass der Staat grundsätzlich von der Normtreue der Normunterworfenen ausgeht. Eine bloße Behauptung oder Befürchtung darf nicht als Grundlage für gravierende Sicherungsmaßnahmen dienen.

Das OLG betonte auch, dass es nicht Sache des Gerichts sei, den Antrag von sich aus auf mildere bzw. verhältnismäßige Maßnahmen umzuformulieren. Zwischen einer beantragten vollständigen Durchsuchung und der bloßen Herausgabe bestimmter Daten bestehe nicht nur ein „Minus“, sondern ein Aliud.

Ein weiterer Aspekt war, dass die Antragstellerin die Maßnahmen nur gegen die GmbH beantragte, nicht aber gegen deren Geschäftsführer. Diese wären jedoch persönlich von den Maßnahmen betroffen gewesen (zB Durchsuchung ihrer Wohnungen), ohne selbst Parteistellung oder Rechtsmittelmöglichkeiten zu haben. Darin sah das OLG Linz ein bedenkliches Rechtsschutzdefizit.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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