OGH-Entscheidung vom 21.1.2025, 4 Ob 136/24i

 

Sachverhalt:

Ein Rechtsanwalt vertrat eine Mandantin in mehreren Zivilprozessen. Laut Mandatsvereinbarung aus dem Jahr 2011 sollte er nach Stundensatz honoriert werden. In den meisten Verfahren obsiegte die Mandantin, sodass ihr Prozesskostenersatz zugesprochen wurde. Die Prozessgegner überwiesen dem Anwalt zwischen 2014 und 2019 insgesamt rund EUR 245.000 an Kostenersatz, ohne dass er seine Mandantin darüber informierte. Nach Beendigung des Mandats im Januar 2019 überwies er ihr lediglich rund EUR 37.600. Die Mandantin bestritt das Bestehen einer von der ursprünglichen Honorarvereinbarung abweichenden Vereinbarung und forderte Rechnungslegung über die erhaltenen Kostenersatzbeträge. Sie klagte schließlich auf Zahlung von rund EUR 302.000 sowie auf Rechnungslegung.

Der Anwalt wendete ein, dass nach einer Vereinbarung aus 2012 das Stundenhonorar nur im „Innenverhältnis“ gelte, während er im „Außenverhältnis“ nach Tarif verrechnen und den höheren Kostenersatz behalten dürfe. Die Abrechnung sollte erst nach Abschluss aller Verfahren erfolgen.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben der Klage im Wesentlichen Folge. Der OGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanzen weitgehend und stellte klar:

Nach § 19 RAO muss ein Rechtsanwalt für seine Mandanten eingehende Barschaften unverzüglich mit diesen verrechnen. Er darf zwar unstrittige Honorarforderungen davon abziehen, bei Bestreitung seiner Honorarforderung muss er die Beträge aber entweder gerichtlich hinterlegen oder an den Mandanten auszahlen.

Diese Pflicht besteht auch dann, wenn der Anwalt meint, die Zahlungen stünden ihm aufgrund einer besonderen Honorarvereinbarung zu. Ohne gerichtliche Hinterlegung kann er seine Honorarforderung dem Herausgabeanspruch des Mandanten nicht entgegenhalten.

Lediglich hinsichtlich der Verzugszinsen für die Zeit vor der Bestreitung der Honorarvereinbarung hob der OGH die Entscheidung auf, da noch unklar war, ob tatsächlich eine Vereinbarung bestand, wonach erst nach Abschluss aller Verfahren abgerechnet werden sollte.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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