OLG Wien-Entscheidung vom 4.6.2024, 33 R 14/24g
Sachverhalt:
Die Klägerin ist Medieninhaberin von zwei Websites, die zu Tageszeitungen gehören. Die Beklagte ist ebenfalls Medieninhaberin einer Tageszeitung samt zugehöriger Website. Die Parteien stehen in einem Wettbewerbsverhältnis.
Die Beklagte veröffentlichte einen Artikel, der unter anderem folgende Passage enthielt:
„[…] Damit entpuppt sich diese Causa immer mehr als bösartige „Schmutzkübel-Kampagne“ der Konkurrenz – umso mehr als die TV-Lady, die ihre Vorwürfe offenbar erfunden hat, von [Klägerin]-Anwalt […] vertreten wird, der derzeit mehr als 30 UWG-Prozesse führt, um im Auftrag der [Klägerin] den Erfolg von [Beklagte] zu stoppen.“ […].“
Die Klägerin begehrt die Zahlung von EUR 10.000 nach § 16 Abs 2 UWG. Die Beklagte habe im Artikel die falsche Behauptung verbreitet, die Klägerin sei daran beteiligt, dass eine „bösartige Schmutzkübel-Kampagne“ gegen den Geschäftsführer der Beklagten in Sachen sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen veranstaltet werde.
Entscheidung:
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 10.000. Durch den Artikel würde die Beklagte der Klägerin unterstellen, sie würde im Sinn einer „Schmutzkübel-Kampagne“ an der Verbreitung unwahrer Tatsachen mitwirken. Dies sei ein Verstoß gegen § 7 UWG, weshalb ein Ersatzbetrag für den immateriellen Schaden von EUR 10.000 gemäß § 16 Abs 2 UWG idaF angemessen sei.
Das OLG Wien gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 16 Abs 2 UWG idF vor dem 2. Modernisierungs-RL-UmsetzungsG (MoRUG II, BGBl I 2022/110).
§ 7 Abs 1 UWG gewährt dem durch die Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen Verletzten einen Schadenersatzanspruch, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Die Herabsetzung eines Unternehmens iSd § 7 UWG besteht in der Verringerung der Wertschätzung der Leistung eines Mitbewerbers, eines Unternehmens und/oder von Produkten des angesprochenen Markteilnehmers.
Bei der Beurteilung der Rechtsfragen, welchen Bedeutungsinhalt eine Äußerung hat und ob „Tatsachen“ verbreitet wurden, kommt es auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; maßgebend ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht der subjektive Wille des Erklärenden.
Eine herabsetzende Äußerung über den Mitbewerber kann im Rahmen der Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit zulässig sein. Unwahre herabsetzende Tatsachenbehauptungen sind stets unzulässig. Zur Abwehr eines (Schadenersatz)anspruchs wegen Herabsetzung eines anderen Marktteilnehmers hat der Beklagte die Wahrheit der herabsetzenden Behauptung zu beweisen.
Zwar umfasst eine „Schmutzkübelkampagne“ nicht zwingend die Verbreitung unwahrer Tatsachen; der Artikel ist aber so aufgebaut, dass der unbefangene Durchschnittsleser darin den Vorwurf sieht, die Klägerin verbreite bewusst unwahre schwere Anschuldigungen gegen den Geschäftsführer der Beklagten. Nachdem zunächst dargestellt wurde, dass der Vorwurf sexueller Belästigung falsch sei und dies durch verschiedene Beweisergebnisse bestätigt werde, identifizierte der Autor die Causa als Schmutzkübelkampagne der Konkurrenz. Als Konkurrenz kommt als einziges, (mehrmals) im Artikel genanntes Unternehmen nur die Klägerin in Betracht. Durch die Behauptung, die Angelegenheit des Vorwurfs der sexuellen Belästigung sei eine Kampagne der Klägerin wird ihr nicht nur vorgeworfen, sie unterstütze mit ihrer Berichterstattung ein vermeintliches Opfer, sondern sie erhebe selbst bewusst unwahre Vorwürfe oder sei sogar daran beteiligt gewesen, diese zu erfinden.
Der Vorwurf der bewussten Verbreitung unwahrer schwerer Anschuldigungen gegen ein Organ eines Konkurrenzunternehmens ist geeignet, die Wertschätzung der Leistungen und Produkte der Klägerin zu verringern. Die Vorgangsweise der Beklagten wäre nur gerechtfertigt, wenn sie beweisen würde, dass der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf wahr ist. Die Klägerin konnte ihren Schadenersatzanspruch auf § 7 UWG stützen.
Gemäß § 16 Abs 2 UWG aF gehört zum Umfang der Schadenersatzpflicht auch ein angemessener Zuspruch einer Geldbuße als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile. Die Vergütung nach § 16 Abs 2 UWG aF kann auch juristischen Personen zugesprochen werden, weil Kopf und Träger des Unternehmens immer eine natürliche Person ist. Größere juristische Personen können wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung“ haben; ihnen ist aber eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Teil des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei sind auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden zu berücksichtigen.
Die Beklagte unterstellte ihrer Konkurrentin eine bewusste Falschberichterstattung aus unsachlichen Motiven. Ein derartiger Vorwurf führt zu einer besonders schweren Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin. Ihr steht daher ein Ersatz für den immateriellen Schaden nach § 16 Abs 2 UWG zu. Das Berufungsgericht hielt die Zuerkennung eines Schadenersatzes von EUR 10.000 für angemessen.
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