OLG Wien-Entscheidung vom 9.11.2023, 33 R 81/23h

 

Sachverhalt:

Der Inhaber der Wortmarke

SIGGI’S

für Waren der Klasse 29 (milchfreies Joghurt sowie Joghurtersatz) erhob Widerspruch gegen mehrere Markenanmeldungen mit dem Wortbestandteil

SIGL

ebenfalls für Waren der Klasse 29 (Milch und Getränke auf Haferbasis).

Das Patentamt gab den Widersprüchen statt. Es bejahte sowohl eine Ähnlichkeit der Waren als auch der Marken.

 

Entscheidung:

Das OLG Wien gab den Rekursen des Markenanmelders Folge.

Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

Unter der älteren Marke werden „milchfreie Joghurts“ angeboten, unter den jüngeren Marken insbesondere auf Haferbasis produzierte Milch(ersatz)produkte. Somit enthalten beide Warengruppen als wesentliche Gemeinsamkeit Milchalternativen. Ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sind folglich stark überlappend. Eine starke Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren liegt daher im Grunde vor.

Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt. Wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs oder von Massenartikeln geht, wird der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers eher gering und flüchtig sein; es ist eine größere Verwechslungsgefahr anzunehmen.

Das OLG Wien verneinte jedoch eine Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen:

Bei relativ kurzen Wortzeichen kommt es auf sämtliche Bestandteile an. Klanglich sind Silbenbildungs- und Betonungsregeln zu beachten; auch der unterschiedlichen Betonung kommt Bedeutung zu. Liegt auf dem Wortanfang die Betonung, ist dieser für den Gesamteindruck bedeutend.

Die beiden Wortmarken stimmen lediglich in den ersten drei Buchstaben überein und sind unterschiedlich lang. Der Apostroph in der älteren Marke trägt dazu bei, die Wortendungen der beiden Marken klar voneinander unterscheiden zu können. Andererseits kommt den identen Anfangssilben angesichts der Kürze der beiden Marken eine gewisse Dominanz zu. Durch den Doppelkonsonanten in der Wortmitte wird das erste „I“ der älteren Marke deutlich kürzer ausgesprochen als das „I“ der jüngeren Marke. Das „L“ am Ende der jüngeren Marke wird eher verschluckt, während der Wortteil „-

SIGGI ist überdies als Vorname zu erkennen ist. Damit kommt der Marke ein eindeutiger Sinngehalt zu, was bei der jüngeren Marke nicht der Fall ist. Dem Wort „SIGL“ werden die maßgeblichen Verkehrskreise keine besondere Bedeutung zumessen.

Schlussendlich verneinte das OLG Wien daher eine Verwechslungsgefahr und wies die Widersprüche ab.

 

Link zur Entscheidung

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Verwechslungsgefahr im Markenrecht:

EuG zu „Blitz“-Bildmarken: Konzeptionell identisch, daher trotz visueller Unterschiede Verwechslungsgefahr.

PUMA vs. PUMA Multipower: Marke „PUMA“ innerhalb der EU sehr bekannt. Schutz der bekannten Marke setzt keine Verwechslungsgefahr voraus.

Markenrecht: Keine Verwechslungsgefahr zwischen „ZARA HOME“ und „AZRA HOME“

Marke „SHE Smart Home Experience“. OGH zu Unterscheidungskraft und Verwechslungsgefahr.

Schutz bekannter Marken setzt keine Verwechslungsgefahr voraus. Punktuelle Ähnlichkeit genügt, wenn das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft.

EuGH: Keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken „MESSI“ und „MASSI“. Bekanntheit des Fußballers Messi ist maßgeblicher Faktor.

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