OGH-Entscheidung vom 21.2.2023, 2 Ob 15/23d

 

Sachverhalt:

2018 verstarb ein Mann, der seine Ehegattin hinterließ. In seinem Testament aus dem Jahr 2015 setzte er seine Pflegerin und deren Ehemann als seine Erben ein. Im folgenden Gerichtsverfahren war strittig, ob die Pflegerin als Personenbetreuerin und deren Ehemann Erben sein konnten oder ob das Testament nichtig war.

Denn gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung haben Personenbetreuer bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auf das Wohl des zu Betreuenden zu achten und ihre berufliche Stellung nicht zur Erlangung persönlicher Vorteile zu missbrauchen wie zB durch die unaufgeforderte Vermittlung oder den unaufgeforderten Abschluss von Geschäften. Insbesondere ist ihnen untersagt, Leistungen ohne gleichwertige Gegenleistungen entgegenzunehmen.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen stellten aufgrund des Testaments das Erbrecht der Pflegerin und deren Ehemann fest und wiesen die Erbantrittserklärung der Ehegattin ab. In ihrem Revisionsrekurs argumentierte die Ehegattin damit, dass sich das Verbot gemäß § 1 Abs 1 der oben genannten Verordnung auch auf Zuwendungen von Todes wegen erstrecke und daher die Unwirksamkeit des Testaments zur Folge habe. Das Rechtsmittel der Ehegattin blieb jedoch ohne Erfolg.

In einer früheren Entscheidung hat der OGH bereits unter Hinweis auf die Testierfreiheit ausgesprochen, dass sich ein solches Verbot keinesfalls dergestalt auf einen Dritten (hier: auf den verstorbenen Erblasser) erstrecke, dass dieser bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung dadurch beschränkt werden könnte.

Laut der klaren Regeln der Verordnung haben Personenbetreuer bei der Ausübung ihrer Tätigkeit das Wohl des zu Betreuenden zu achten (§ 1 Abs 1 VO) und muss sich die Betreuung an den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit orientieren (§ 1 Abs 2 VO). Auch das hier relevante Verbot, dass einer Pflegeperson untersagt ist, Leistungen ohne gleichwertige Gegenleistungen entgegenzunehmen, zielt darauf ab, von der betreuten Person Nachteile abzuwenden. Die Argumentation des Rekursgerichts, dass der zentrale Zweck der Verordnung auf den Schutz der betreuten Person abziele, ein solcher aber hinsichtlich des erst nach dem Tod eingetretenen Vermögenszuwachses der Pflegeperson nicht mehr geboten sei, warf für den OGH keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Ehegattin wurde zurückgewiesen.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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