OGH-Entscheidung vom 29.4.2021, 2 Ob 4/21h

 

Sachverhalt:

In diesem Verfahren ging es um die Formgültigkeit eines Testaments, das aus zwei genähten Blättern bestand. Das Testament begünstigte die drei Enkel des Erblassers die eine Erbantrittserklärung zu je einem Drittel abgaben. Die Tochter des Erblassers gab aufgrund des Gesetzes eine Erbantrittserklärung zu einem Drittel des Nachlasses ab.

Auf dem ersten Blatt befand sich die Verfügung zugunsten der Enkel, eine handschriftliche Nuncupatio und die Unterschrift des Erblassers. Auf dem zweiten Blatt stand: „Mit nachstehender Unterschrift bestätigen wir, die ersuchten Testamentszeugen, dass der Testator in unserer gleichzeitigen und ununterbrochenen Anwesenheit den vorstehenden Zusatz eigenhändig geschrieben und die letztwillige Verfügung sodann eigenhändig unterschrieben hat.“ Darunter befanden sich die Unterschriften der Zeugen mit Zeugenzusatz.

Das Testament wurde von einem Notar errichtet. Am Tag der Errichtung wurden die Blätter mit einer Dokumentenschiene verbunden. Im Besprechungszimmer nahm der Notar die einzelnen Blätter aus der Schiene und besprach das Testament noch einmal mit dem Erblasser. Daraufhin unterschrieben der Erblasser und die drei Zeugen das Testament. Im Anschluss daran wurden die Blätter wieder mit der Dokumentenschiene verbunden.

Der Notar übergab das Testament danach einer Sekretärin und trug ihr auf, es sofort zu binden. Wie viel Zeit zwischen der Unterfertigung des Testaments und dem Binden verging, konnten die Vorinstanzen nicht feststellen. Jedenfalls wurde das Testament noch am Tag der Unterfertigung gebunden.

Die Tochter des Erblassers vertrat die Auffassung, dass das Testament nicht formgültig sei.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Erbantrittserklärungen der Enkel ab und stellte das Erbrecht der Tochter zu einem Drittel des Nachlasses fest. Die Blätter müssten spätestens während des Testiervorgangs verbunden werden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der OGH befand den außerordentlichen Revisionsrekurs der Enkel für zulässig und berechtigt.

Die äußere Urkundeneinheit bei einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung liege nur vor, wenn die einzelnen Bestandteile der Urkunde (die losen Blätter) so fest miteinander verbunden wurden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie zB beim Binden, Kleben oder Nähen.

Diese Urkundeneinheit muss „während“ des Testiervorgangs, also „uno actu“ mit diesem, hergestellt werden. Es genügt jedoch, wenn die Verbindung im unmittelbaren Anschluss an die Unterfertigung hergestellt wird. Das Erfordernis des Herstellens der Verbindung „während“ des Testiervorgangs („uno actu“ mit diesem) kann nicht dahin verstanden werden, dass die Verbindung schon bei Leistung der Unterschriften vorhanden sein müsste. Vielmehr genügt es, wenn die Verbindung in unmittelbarem Anschluss daran hergestellt wird.

Wird daher die äußere Urkundeneinheit unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften hergestellt, ist von einem einheitlichen Testiervorgang auszugehen, der erst mit dieser Herstellung beendet ist. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort war. Der OGH stellte daher Erbrecht der Enkel aufgrund des Testaments zu je einem Drittel des Nachlasses fest und wies Erbantrittserklärung der Tochter ab.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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