1. Motocross-Unfall im Offroad-Park

OGH-Entscheidung vom 25.5.2022, 7 Ob 2/22b

 

Sachverhalt:

Der Kläger kam in einem Offroad-Park in Ungarn mit seinem Motocross-Motorrad zu Sturz und erlitt dadurch schwere Verletzungen.  Der Unfall des Klägers ereignete sich außerhalb der Enduro-Strecke, nämlich auf der frei befahrbaren Verbindungsstrecke vom Fahrerlager zur Enduro-Strecke. Der Kläger begehrte von seiner Unfallversicherung die Zahlung von EUR 19.748,56. Im Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB) der Beklagten zugrunde lagen, war folgende Bestimmung enthalten: „Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle […] die bei Beteiligung an motorsportlichen Wettbewerben (auch Wertungsfahrten, Fahren auf Rennstrecken und Rallyes) und den dazugehörenden Trainingsfahrten entstehen“.

 

Entscheidung:

Der Kläger blieb durch alle drei Instanzen erfolglos. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers. Es findet deshalb auch die Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers.

Die Wortfolge „(auch Wertungsfahrten, Fahren auf Rennstrecken und Rallyes)“ ist nach ihrem klaren Wortlaut eine Ergänzung zu dem Ausdruck „motorsportliche Wettbewerbe“ und lässt nur das Verständnis zu, dass als motorsportlicher Wettbewerb, für den kein Versicherungsschutz besteht, unter anderem auch das (bloße) „Fahren auf Rennstrecken“ gilt. Eine „Rennstrecke“ iSd AUVB ist ein vom öffentlichen Verkehr abgesonderter Bereich, auf dem gegenüber dem öffentlichen Verkehr höhere Geschwindigkeiten eingehalten und aufgrund seiner Gestaltung typischerweise die Grenzen des Fahrkönnens und/oder des Fahrzeugs ausgelotet werden. Der Begriff „Rennstrecke“ umfasst auch vom öffentlichen Verkehr abgesonderte Zufahrten und Verbindungswege zur eigentlichen Strecke, wenn jene der Strecke selbst vergleichbar gestaltet sind und dieselben Anforderungen stellen, Fertigkeiten verlangen und Manöver erlauben. Die Verbindungsstrecke, auf der der Kläger stürzte, war diesem Sinn gestaltet. Das Fahren auf dem Verbindungsweg wurde daher als vom Ausschluss umfasstes Befahren einer Rennstrecke bzw Trainieren auf einer solchen qualifiziert.

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

2. Windstoß reißt Autotür aus der Hand

OGH-Entscheidung vom 28.4.2022, 7 Ob 155/21a

 

Sachverhalt:

Die Klägerin öffnete als Fahrgast eines Taxis beim Aussteigen die Fahrzeugtüre, die ihr durch einen Windstoß aus der Hand gerissen wurde. Ein vorbeifahrendes Fahrzeug kollidierte mit der Türe, wodurch jenes Fahrzeug und das Taxi beschädigt wurden. Die Klägerin wurde vom Eigentümer des Taxis auf Ersatz des an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens geklagt. Die beklagte Versicherung, mit der die Klägerin einen Haushaltsversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, lehnte die Deckung unter Berufung auf die Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH) ab. Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die der Versicherungsnehmer durch Haltung oder Verwendung von Kraftfahrzeugen verursacht hat, waren demnach vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

 

Entscheidung:

Die Klägerin blieb durch alle drei Instanzen erfolglos. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des OGH, dass Schadenersatzverpflichtungen aus der Haltung oder Verwendung von kennzeichenpflichtigen Kraftfahrzeugen schlechthin von der Haushaltsversicherung ausgeschlossen sind. Nicht nur das Ein- und Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug gehört zu dessen Betrieb, sondern auch das damit verbundene Öffnen und Schließen der Fahrzeugtüren zum Zwecke des Ein- und Aussteigens. Umgekehrt besteht Deckungspflicht des Haushaltsversicherers nur dann, wenn der Schaden nicht aus einer Verwendung eines Kraftfahrzeugs entstanden ist.

Im vorliegenden Fall kam der Risikoausschluss daher zum Tragen, weil das Türöffnen als Verwendung des Kraftfahrzeugs anzusehen ist, die ABH aber die Deckung für jedwede Verwendung des Fahrzeugs ausschließt. Der von der Klägerin durch Türöffnen verursachte Fahrzeugschaden war daher von der Privathaftpflichtversicherung nicht gedeckt.

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

3. Automechaniker verursacht Brand

OGH-Entscheidung vom 25.5.2022, 7 Ob 10/22d

 

Sachverhalt:

Der Kläger wollte an einem von ihm zuvor gebraucht erworbenen, jedoch mit Mängeln behafteten Multivan, durch „punktuelle Schweißarbeiten“ Rost beseitigen, um das Fahrzeug in der Folge einer § 57a KFG-Begutachtung („Pickerlüberprüfung“) unterziehen zu können. Diese Arbeiten wollte er im Lagerraum/Werkstatt eines Bekannten durchführen. Im Bereich des linken Kotflügels war von einem Vorbesitzer des Fahrzeugs eine Außensteckdose angebracht worden, wobei Hohlräume mit leicht entflammbarem PU-Schaum ausgefüllt worden waren. Der PU-Schaum geriet durch die Schweißarbeiten des Klägers in Brand, der das Gebäude beschädigte. Die beklagte Versicherung, mit der der Kläger einen Haushaltsversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, lehnte die Deckung ab.

 

Entscheidung:

Der Kläger blieb durch alle drei Instanzen erfolglos, da auch in diesem Fall Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die der Versicherungsnehmer durch Haltung oder Verwendung von Kraftfahrzeugen verursacht hat, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen waren.

Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass der Begriff des „Verwendens“ eines Fahrzeugs einerseits weiter als der Begriff des „Betriebes“ iSd § 1 EKHG ist und insbesondere nicht nur die Verwendung des Fahrzeugs auf Straßen, sondern die Verwendung des Fahrzeugs schlechthin betrifft und daher auch nicht dem Betriebsbegriff des EKHG unterliegende Benutzung des versicherten Fahrzeugs umfasst. Andererseits gehört die Durchführung von (nicht gewerbsmäßigen) Reparaturarbeiten am PKW durch den Lenker zum Gebrauch eines Fahrzeugs, sodass die daraus entstandenen Schäden der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung unterliegen.

Die (Schweiß-)Arbeiten am Fahrzeug waren daher als „Verwenden“ iSd ABH (Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen) anzusehen und daher von der Versicherungsdeckung der Privat-Haftpflichtversicherung ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall kam es nicht darauf an, dass ein in der Karosserie üblicherweise nicht vorzufindendes Material im Zuge der Schweißarbeiten Feuer fing, weil schon die Reparaturtätigkeit schadenauslösend war. Ein Versicherungsnehmer müsse laut OGH stets mit Risikoausschlüssen und -begrenzungen rechnen, weil es in Österreich keine All-Risk-Versicherung gibt und eine Deckungslücke – im Hinblick auf einen begrenzten Deckungsumfang einer (zudem in einer Haushaltsversicherung eingeschlossenen) Privat-Haftpflichtversicherung – nicht jedenfalls verhindert werden muss. Für einen verständigen Versicherungsnehmer ergebe sich aus den ABH klar, dass diese generell das besondere aus Halten und Verwenden von Kraftfahrzeugen resultierende Risiko ausschließen soll.

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

Weitere Blog-Beiträge zum Thema Schadenersatz bei Unfällen:

Mit Risikosportarten sind Gefahren verbunden: Keine Haftung des Betreibers eines Mountainbike-Freeride-Parcours

Sturz in Abflughalle aufgrund Verunreinigung: Haftet Fluglinie oder Flughafenbetreiber?

Schiunfall in „Fun Park“: Welche Sicherungspflichten treffen Pistenbetreiber?

OGH verneint Anspruch auf Trauerschmerzengeld bei unfallbedingtem Verlust eines Haustieres

Schiunfall auf Zeitmesstrecke: Riskante Fahrweise ist zu erwarten, Sorgfaltsanforderungen sind daher herabgesetzt

Kind verursacht Schiunfall. Wann haften Eltern für die Folgen? (Verletzung der Aufsichtspflicht)

Durch Unfallnachricht ausgelöster Schockschaden: Schmerzengeld für nahe Angehörige bei schwersten Verletzungen des Unfallopfers

Polizist verletzt sich bei Verfolgung eines Verdächtigen: Flüchtender haftet

Ärztlicher Behandlungsfehler nach Hundeattacke: Hundehalter haftet für gesamten Schaden