OGH-Entscheidung vom 29.9.2025, 4 Ob 116/25z
Sachverhalt:
Die Klägerin, Medieninhaberin der Website www.k*.at und von K*.TV, steht mit der Beklagten, Medieninhaberin der Website www.o*.at (auf der die Tageszeitungen „Ö*“ und „o*“ erscheinen), im Wettbewerbsverhältnis.
Die Beklagte veröffentlichte auf ihrer Website einen Artikel in dem behauptet wurde, das „’K‘-Imperium“ führe mit seinem „Schmutzkübel-Anwalt“ einen „Krieg“ gegen die Mediengruppe Ö. Das K*-Lager, vertreten durch Anwalt R*, habe zahlreiche rechtliche Schritte (etwa 20 UWG-Klagen) gegen Ö* eingeleitet, angeblich um den geschäftlichen Erfolg des Herausgebers zu bremsen. Da diese Klagen erfolglos geblieben seien, solle nun versucht werden, dessen Ruf durch erfundene Vorwürfe sexueller Belästigung zu schädigen. Einer o*.TV-Mitarbeiterin sei Geld angeboten worden, wenn sie bestätigen würde, dass der Geschäftsführer der Beklagten sie sexuell belästigt habe. Die Kampagne habe jedoch das Gegenteil bewirkt: Der Marktanteil und die Zuschauerzahlen von Ö* und o.TV* seien deutlich gestiegen, während K* an Einfluss verliere.
In einem Medienstrafverfahren wurde die Beklagte rechtskräftig verurteilt, weil sie durch diese Veröffentlichung in Bezug auf den dortigen Antragsteller (Eigentümer der Klägerin) den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede in einem Medium hergestellt hatte. Die Beklagte wurde zur Zahlung von 7.000 EUR verurteilt.
Die Klägerin begehrte nun gestützt auf § 16 Abs 2 UWG iVm § 7 Abs 1 UWG 10.000 EUR als Ersatz für immaterielle Schäden. Sie argumentierte, die Beklagte habe ihr kreditschädigend vorgeworfen, sich bewusst an der Verbreitung falscher Behauptungen beteiligt zu haben.
Entscheidung:
Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Artikel beziehe sich nicht auf die Klägerin und enthalte nicht den Vorwurf der bewussten Falschberichterstattung. Das Berufungsgericht vertrat hingegen die Ansicht, die Zivilgerichte seien an den der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Bedeutungsinhalt gebunden. Diese Bindungswirkung erstrecke sich auch auf andere potenziell von der Äußerung betroffene Personen, somit auch auf die Klägerin. Der Vorwurf der bewussten Falschberichterstattung sei so schwerwiegend, dass er einen Schadenersatz nach § 16 Abs 2 UWG rechtfertige. Der OGH gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her.
Der OGH stellte zunächst klar, dass ein strafgerichtlich rechtskräftig Verurteilter sich im nachfolgenden Rechtsstreit nicht darauf berufen kann, die Tat nicht begangen zu haben. Dies gilt auch für Verurteilungen nach § 6 MedienG. Entscheidend ist jedoch: Die Bindungswirkung ist eine Konsequenz der materiellen Rechtskraft des Strafurteils und erstreckt sich grundsätzlich nur auf die den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen.
Im Medienstrafverfahren ging es ausschließlich um den dortigen Antragsteller. Das Strafgericht sprach die Beklagte rechtskräftig schuldig, „in Bezug auf den Antragsteller“ den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt zu haben. Damit könnte allenfalls für die Zivilgerichte bindend feststehen, dass das Medienpublikum den im Strafurteil bezeichneten Medieninhalt als tatbestandsmäßig (ehrverletzend oder verleumderisch) gegenüber dem Antragsteller verstehe. Eine strafbare Handlung gegen die Klägerin dagegen war nicht Gegenstand des Medienstrafverfahrens.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Bindungswirkung erstrecke sich auch auf „andere potenziell von der Äußerung betroffene Personen“, finde in der Rechtsprechung keine Grundlage. Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft kann nicht auf Dritte ausgedehnt werden.
Da keine Bindungswirkung bestand, beurteilte der OGH selbständig, ob ein Anspruch auf Schadenersatz besteht. § 7 Abs 1 UWG gewährt einen Schadenersatzanspruch bei Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen, sofern diese nicht erweislich wahr sind. § 16 Abs 2 UWG aF ermöglicht einen Zuspruch für immaterielle Schäden nur bei besonders schwerer Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung. Bei juristischen Personen muss eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts vorliegen.
Den Vorwurf eines „Kriegs“ und der zahlreichen Klagen verstehe das Publikum nicht als Vorwurf bewusster Falschberichterstattung, sondern als Kritik an der Einleitung zahlreicher Gerichtsverfahren. Die Wortwahl („Schmutzkübel-Anwalt“, „Krieg“) ändere nichts am Inhalt der Kritik. Eine besonders schwere Beeinträchtigung liege darin nicht.
Das Publikum erkenne den Vorwurf, dass mutmaßliche Opfer ihre Vorwürfe frei erfunden hätten. Bezüglich der Klägerin nehme das Publikum nur den Vorwurf wahr, diese angeblich falschen Vorwürfe zu verbreiten, also nicht ausreichend inhaltlich geprüft zu haben. Eine schwere Beeinträchtigung liege darin nicht. Beim behaupteten Geldangebot an o*.TV-Mitarbeiterin gehe für das Publikum nicht hervor, dass die Mitarbeiterin einen nicht stattgefundenen Vorfall erfinden sollte. Vielmehr spreche der Umstand, dass „die Gegenseite ihr Interesse verlor“, als mitgeteilt wurde, es habe keine Belästigungen gegeben, dafür, dass nach wahren Vorfällen gesucht worden sei. Der Vorwurf, allfällige weitere mutmaßliche Opfer zu suchen, sei keine schwere Beeinträchtigung.
Der OGH kam daher zu dem Ergebnis, dass die im Artikel der Beklagten enthaltenen Äußerungen nicht den Tatbestand des § 16 Abs 2 UWG aF im Sinne einer bewussten Falschberichterstattung durch die Klägerin erfüllen. Auch unter Berücksichtigung des angespannten Konkurrenzverhältnisses zwischen den Mediengruppen fehle es an einer „besonders schweren Beeinträchtigung“ der sozialen Wertstellung, die einen immateriellen Schadenersatz rechtfertigen könnte.
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