OGH-Entscheidung vom 27.5.2025, 1 Ob 67/25x
Sachverhalt:
Die Klägerin, ein Leckortungsunternehmen, beauftrage die Beklagte mit der Entwicklung und Lieferung einer maßgeschneiderten Softwarelösung. Diese sollte das Berichtswesen mit einem Rechnungsprogramm und einem Terminmanagementsystem verbinden. Im Vorfeld wurden bestimmte funktionale Anforderungen besprochen und Musterberichte übergeben. Ein besonderes Anliegen der Klägerin war die Möglichkeit, mehrere Fotos in einen Bericht einzufügen.
Nach Beauftragung lieferte die Beklagte die Software samt Tablets und stellte EUR 40.000,00 in Rechnung, die von der Klägerin vollständig bezahlt wurden. In der Praxis stellte sich jedoch rasch heraus, dass Fotos im Bericht nicht mehrfach verwendet werden konnten, ohne dass zumindest ein Bild verschwand (ohne Fehlermeldung). Die Behebung dieses Problems hätte zwischen 2.400 und 12.000 EUR gekostet. Zusätzlich führten Formatierungsfehler zu ästhetischen Mängeln. Aufgrund der daraus resultierenden Kundenbeschwerden setzte die Klägerin die Software lediglich 14 Tage lang ein.
Die Klägerin begehrte daraufhin die Vertragswandlung und Rückzahlung des Entgelts. Die Beklagte sowie eine Nebenintervenientin wiesen das Begehren zurück und führten aus, die beanstandeten Mängel seien geringfügig und hätten die Funktionalität nicht wesentlich beeinträchtigt.
Entscheidung:
Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht gaben der Klägerin Recht. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Beklagten zurück.
Der OGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen, die der Klägerin das Recht zur Wandlung zugestanden hatten.
Die Mängel seien nicht bloß geringfügig im Sinne des § 932 Abs 4 ABGB. Die fehlende Möglichkeit zur mehrfachen Verwendung von Fotos in einem Bericht sowie gravierende Formatierungsprobleme führten dazu, dass die Software im Geschäftsverkehr nicht einsetzbar war. Es handelte sich somit nicht bloß um optische „Unschönheiten“, sondern wesentliche Mängel. Die Software war für ihren Hauptzweck (Erstellung professioneller Berichte) praktisch nicht verwendbar. Dies stelle eine wesentliche Einschränkung der Funktionalität dar.
Der OGH verwies auch auf die Unverhältnismäßigkeit der Behebungskosten: Die Mängelbeseitigung hätte bis zu EUR 12.000 gekostet, also einen erheblichen Teil des Gesamtpreises, wobei sich die Beklagte weder zur Behebung noch zur Kostenvorleistung bereit erklärt hatte. Diese Behebungskosten für nur einen der Mängel waren im Verhältnis zum Gesamtkaufpreis von EUR 40.000 erheblich.
Für die Beklagte war bei Vertragsabschluss erkennbar, dass das Unternehmen an einer für das Berichtswesen nicht nutzbaren Software kein Interesse haben konnte.
Auch bei Softwareverträgen können Mängel zur Wandlung berechtigen, selbst wenn sie teilweise „nur“ optischer Natur sind, insbesondere wenn sie den vereinbarten Vertragszweck wesentlich beeinträchtigen und wirtschaftlich unzumutbar sind. Maßgeblich ist eine interessenbezogene Einzelfallbeurteilung.
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