OGH-Entscheidung vom 12.9.2023, 4 Ob 45/23f

 

Sachverhalt:

Das beklagte Inkassoinstitut wurde im Auftrag eines Schweizer Unternehmens tätig, welches Verträge mit Kunden schließt, die Urheberrechte oder Werknutzungsrechte an Bildern besitzen. Das Inkassoinstitut forderte unberechtigte Nutzer der Bilder zur Zahlung von Ersatzansprüchen auf. In den Aufforderungsschreiben nahm die Beklagte u.a. zur angemessenen Höhe von Schadenersatz sowie zu Gegenangeboten und Einigungsversuchen der Adressaten Stellung und unterbreitete Vergleichsangebote.

Der Kläger ist ein Verein, der die wirtschaftlichen Interessen der österreichischen Rechtsanwaltschaft verfolgt. Der Verein sah im Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen den Anwaltsvorbehalt und klagte auf Unterlassung.

 

Entscheidung:

Das Berufungsgericht gab der auf Klage im Wesentlichen statt. Der OGH erachtete die Revision der Beklagten als unzulässig.

Gemäß § 8 Abs 2 RAO ist die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten und vor allen Gerichten und Behörden der Republik Österreich den Rechtsanwälten vorbehalten. Der Begriff der „Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten“ umfasst auch die Vertretung eines Klienten in Rechtsangelegenheiten gegenüber Dritten im Zuge einer vor- und/oder nachprozessualen Korrespondenz. Das Vertretungsrecht der Rechtsanwälte beinhaltet dabei auch das Beratungsrecht, weil eine Vertretung ohne vorhergehende Beratung kaum denkbar ist. Die umfassende Rechtsberatung ist daher Rechtsanwälten vorbehalten.

§ 8 Abs 3 RAO definiert jenen Kreis der „berufsfremden“ Personen, welche zu einer sachlich begrenzten Parteienvertretung berechtigt sind. Auch anderen Berufsgruppen kann mittels genereller Norm eine Befugnis zur Parteienvertretung eingeräumt werden. Im Rahmen der Gewerbeberechtigung sind zB Baumeister, Immobilientreuhänder, Zimmermeister und Ingenieurbüros zur – berufsmäßig auf die Tätigkeit des Gewerbes beschränkten – Parteienvertretung berechtigt.

Inkassoinstitute bedürfen für die Einziehung fremder Forderungen einer Gewerbeberechtigung (§ 94 Z 36 GewO). Nach § 118 Abs 2 GewO sind Inkassoinstitute nicht berechtigt, Forderungen gerichtlich einzutreiben oder sich Forderungen abtreten zu lassen. Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Inkassoinstitute berechtigt sind, dürfen nur unbestrittene Forderungen einziehen. Dem Inkassoinstitut obliegt es ua, abzuklären, ob eine strittige Forderung vorliegt, und dies bejahendenfalls dem Auftraggeber mitzuteilen und gegebenenfalls über die Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Betreibung zu berichten. Inkassoinstitute dürfen gemäß § 118 Abs 3 GewO eine Schadenersatzforderung daher erst dann zur Einziehung übernehmen, wenn diese sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unbestritten ist.

Im vorliegenden Fall forderte die Beklagte Schadenersatz und handelt vergleichsweise Regelungen aus. Zudem nahm sie inhaltlich zu einer Bestreitung Stellung, erteilt dazu Rechtsauskünfte und fordert zur Unterlassung bzw Beseitigung der Nutzung auf.

Der OGH bestätigte daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Beklagte nach dem objektiven Erklärungswert ihrer Schreiben rechtsanwaltliche Beratungs- und Vertretungsleistungen für ihre Kunden erbrachte, die nicht von ihrer Gewerbeberechtigung gedeckt waren und sie damit gegen den Anwaltsvorbehalt gemäß § 8 Abs 2 RAO verstieß, sodass ein Rechtsbruch iSd § 1 UWG verwirklicht wurde.

 

 

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