OGH-Entscheidung vom 31.3.2023, 2 Ob 35/23w

 

Sachverhalt:

Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ansprechbar, konnte Fragen aber nur durch Nicken oder Augenkontakt beantworten. Der Notar las ihm den Entwurf des vorliegenden Testaments vor und erklärte dem Erblasser die Konsequenzen des Testaments. Dieser bejahte nickend die Frage, ob es sich dabei um seinen letzten Willen handle, und setzte mit dem Mund ein schriftliches Zeichen bei, weil er aufgrund der bestehenden Lähmung nicht in der Lage war, mit der Hand eine Unterschrift oder ein Handzeichen zu leisten.

Diese Unterschrift wurde auf dem Testament angebracht und mit einem von einer Zeugin errichteten handschriftlichen Beisatz bekräftigt. In weiterer Folge unterschrieben der Notar (mit dem maschingeschriebenen Unterschriftszusatz „öffentlicher Notar als Zeuge des letzten Willens“) sowie zwei weitere Zeuginnen (jeweils mit den maschingeschriebenen Unterschriftszusätzen „als Aktszeugin und Zeugin des letzten Willens“) das Testament.

Im Notariatsakt befand sich auch der Satz: „Dieser Notariatsakt wurde in Anwesenheit der Aktszeugen beziehungsweise Zeugen des letzten Willens der Partei vorgelesen, von ihm als ihrem Willen entsprechend genehmigt und mit dem Handzeichen versehen.“

Die gesetzliche Erbin bestritt die Gültigkeit des Testaments.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen hielten dieses notarielle Testament für gültig. Der OGH wies den außerordentlichen Revisionsrekurs zurück.

Zum maschinschriftlichen Hinweis auf die Zeuginneneigenschaft kam der OGH zu dem Ergebnis, dass bei Errichtung einer notariellen letztwilligen Verfügung keine eigenhändige Nuncupatio des Erblassers iSd § 579 ABGB erforderlich ist. Bei einem Testiervorgang vor dem Notar ist gewährleistet, dass die Zeugen bei ihrer Unterschriftsleistung auch ohne eigenhändig geschriebenen Zeugenzusatz über ihre Eigenschaft als Testamentszeugen Bescheid wissen.

Zum Schriftzug des Erblassers führte der OGH aus, dass § 68 Abs 1 lit g NO ebenso wie § 580 Abs 1 ABGB für ein fremdhändiges Testament im Fall eines letztwillig Verfügenden, der nicht schreiben kann, das „Handzeichen“ vorsieht. Die Vorinstanzen sahen das „schriftliche Zeichen“ des Erblassers als seine Unterschrift an: Mangels Vorhandenseins einer entgegenstehenden Vorschrift könne eine Unterschrift auch so geleistet werden, dass das Schreibgerät mit dem Mund oder auch mit den Zehen gehalten wird. An der Identität des Erblassers wurde die gezweifelt.

Ungeachtet des Ausdrucks „Handzeichen“ in § 68 Abs 1 lit g NO und § 580 Abs 1 ABGB kommt es nach dessen Zweck nicht darauf an, dass der Erblasser mit der Hand agiert, sondern darauf, dass er seinen letzten Willen nach außen sinnfällig so bestätigt, dass er auf der die letztwillige Verfügung enthaltenden Urkunde seinen Niederschlag findet. Dafür ist es unerheblich, mit welchem Körperteil der Erblasser das Schreibgerät führt.

 

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