OGH-Entscheidung vom 23.2.2023, 8 ObA 94/22i

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist Musiker. Er steht in einem aufrechten, dem Theaterarbeitsgesetz (TAG) unterliegenden Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Er wird bereits seit längerem nicht im Orchester der Beklagten eingesetzt. Mit seiner Klage verfolgt er seinen Anspruch nach § 18 Abs 1 TAG auf Beschäftigung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten war jedoch erfolgreich.

Die mit „Recht auf Beschäftigung“ überschriebene Vorschrift des § 18 Theaterarbeitsgesetz (TAG) lautet:

„(1) Der/Die Theaterunternehmer/in ist verpflichtet, das Mitglied angemessen zu beschäftigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrages, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitgliedes und die Art der Führung des Betriebes Bedacht zu nehmen.

(2) Wenn es der/die Theaterunternehmer/in trotz wiederholter Aufforderung ohne wichtigen Grund unterlässt, das Mitglied angemessen zu beschäftigen, kann das Mitglied den Vertrag vorzeitig auflösen und eine angemessene Vergütung begehren […].

(3) Die Auflösung ist jedoch nur dann zulässig, wenn das Mitglied dem/der Theaterunternehmer/in schriftlich eine entsprechende Frist zur Nachholung der angemessenen Beschäftigung erteilt hat und diese Frist fruchtlos abgelaufen ist.“

Vorläuferbestimmung des § 18 TAG war § 21 des 2010 außer Kraft getretenen Schauspielergesetzes.

Ob das im Gesetz statuierte „Recht auf Beschäftigung“ unmittelbar einklagbar ist, oder bei dessen Verletzung der Arbeitnehmer auf die gesetzlich vorgesehenen Rechte beschränkt ist, wurde vom OGH bislang nicht entschieden. In der Literatur ist die Einklagbarkeit des Rechts auf Beschäftigung nach dem SchSpG/TAG umstritten.

Der OGH kam zu dem Ergebnis, dass die unmittelbare Einklagbarkeit des Rechts auf Beschäftigung vom Gesetzgeber wohl nicht beabsichtigt war.

Grundsätzlich sei es zwar so, dass – wenn ein Dienstnehmer ein Recht auf Beschäftigung hat – dieses grundsätzlich auch einklagbar ist. Die Besonderheit des § 18 TAG liegt darin, dass hier der Gesetzgeber sowohl ein Recht auf Beschäftigung als auch bestimmte Rechtsfolgen von dessen Verletzung – Recht auf Austritt, Vergütung und Schadenersatz – normierte. Damit stellt sich die Frage, ob § 18 TAG insoweit e silentio keinen Erfüllungsanspruch auf das Recht auf Beschäftigung enthält.

Der besondere Auflösungsgrund des § 18 Abs 2 TAG ermöglicht es dem Mitglied, möglichst rasch ein anderes Engagement eingehen zu können. Nur im Falle seines Austritts kann das Mitglied die in § 18 Abs 2 TAG (bzw vormals § 21 Abs 2 SchSpG) genannte besondere Vergütung beanspruchen. Eine vermögensrechtliche gerichtliche Auseinandersetzung wegen Verletzung des Rechts auf Beschäftigung ist damit insoweit der Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses vorbehalten. Dies ist als Indiz zu werten, dass bei aufrechtem Dienstverhältnis zur Wahrung des Rechtsfriedens am Theater keine gerichtliche Auseinandersetzung über das Recht auf Beschäftigung stattfinden soll.

Nach Art 17a StGG sind das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre frei. Auch der Betrieb eines Theaterunternehmens dient in aller Regel künstlerischen Zwecken. Zur Verfolgung dieser künstlerischen Zwecke ist es sachlich gerechtfertigt, dem Theaterunternehmer die Fällung von Entscheidungen zu ermöglichen, die seiner Einschätzung nach künstlerisch richtig und wichtig sind; ebenso dessen Entscheidung, welche Mitglieder an einer Aufführung mitwirken. Die Annahme, ein Mitglied hätte ein einklagbares Recht auf Beschäftigung, bedeutete eine Einschränkung dieser Entscheidung. Es liegt auf der Hand, dass die Mitwirkung eines Mitglieds an einer Aufführung nicht aufgrund einer künstlerischen, sondern alleine einer Gerichtsentscheidung für die künstlerische Qualität derselben von Nachteil sein kann.

Vergleichbar sei der Fall eines Profifußballers, bei dem ein Einsatz nicht nur von den fußballerischen Leistungen des Spielers, sondern auch von sportlichen Überlegungen der Vereinsleitung abhängt.

Im Ergebnis entschied der OGH, dass das Recht auf Beschäftigung nach § 18 Abs 1 TAG selbst nicht gerichtlich einklagbar ist.

 

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