OGH-Entscheidung vom 17.2.2023, 6 Ob 78/22x

 

Sachverhalt:

Die Klägerin wurde 2014 im Krankenhaus der Beklagten operiert. Bald nach der Operation traten Beschwerden auf und es waren weitere Behandlungen notwendig. Die Klägerin machte ihre Ansprüche gegen das Krankenhaus und deren Haftpflichtversicherer jedoch erst 2021 vor Gericht geltend.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen Verjährung ab, da für die Klägerin im Sommer 2015 klar gewesen sei, dass die Operation nicht so verlaufen war, wie erwartet. Da sie erhebliche Beschwerden gehabt habe, seien zu diesem Zeitpunkt deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt vorgelegen. Diese Umstände hätten eine Erkundigungspflicht der Klägerin ausgelöst, weshalb mit diesem Zeitpunkt der Beginn der Verjährungsfrist anzusetzen sei. Die geltend gemachten Ansprüchen seien folglich zum Zeitpunkt der Klageeinbringung im März 2021 bereits verjährt gewesen.

Der OGH befand die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin für unzulässig. Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Diese Grundsätze gelten auch in Fällen behaupteter medizinischer Fehlbehandlungen oder Aufklärungsfehler.

Angesichts der Nachbehandlungen und Beschwerden der Klägerin hätte diese ab dem Sommer 2015 ausreichende Anhaltspunkte für einen Pflichtverstoß des behandelnden Arztes gehabt, aufgrund derer sie zumutbare Erkundigungen über die Zusammenhänge anstellen hätte müssen.

Zum Einwand der Klägerin, wonach entsprechend früherer OGH-Judikatur nur ein Sachverständigengutachten Klarheit über ein Verschulden des Operateurs bringen könne und sie deshalb keinen Facharzt hätte aufsuchen müssen, entgegnete der OGH, dass in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass in unterschiedlichen Fallkonstellationen unterschiedliche Erkundigungen zumutbar sein können, was von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Im hier vorliegenden Fall hätten Erkundigungen bei anderen Fachärzten die Zusammenhänge aufklären können.

Die Verjährungsfrist war folglich auch unter Berücksichtigung der Fortlaufshemmung gemäß § 58a ÄrzteG bei Klageeinbringung abgelaufen.

 

 

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