OGH-Entscheidung vom 27.9.2017, 9 Ob 49/17x

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Kosmetikerin. Sie erzählte der Klägerin von einer Behandlungsmöglichkeit mit sog „Fettweg“-Spritzen. Die Beklagte dürfe diese Behandlung zwar nicht machen, weil sie keine medizinische Ausbildung habe, sie meinte aber, dass sie dies könne und die Behandlung bereits mehrfach angewandt habe. Sie erklärte der Klägerin außerdem, dass bei dieser Behandlung Schwellungen und Blauverfärbungen eintreten können und dass sie eine Zeit lang Schmerzen verspüren könnte. Über weitere Risiken wurde die Klägerin nicht aufgeklärt.

Die Beklagte führte die Behandlung schließlich bei der Klägerin durch. In weiterer Folge erlitt die Klägerin starke Schmerzen, Schwellungen und offene Wunden. Aufgrund der Komplikationen blieben an den behandelten Stellen Narben und zwei Verhärtungen zurück. Für  Korrektureingriffe musste sie 7.100 EUR bezahlen. Dennoch konnten die optischen Folgen nicht vollständig beseitigt werden. Die Klägerin litt als Folge der Komplikation auch an seelischen Schmerzen.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 41.540 EUR und die Feststellung der Haftung der Beklagten für die Folgen der Behandlung.

Entscheidung:

Das Erstgericht sprach der Klägerin 22.266,66 EUR zu und stellte die Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden mit zwei Drittel fest. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH lies die Revision der Klägerin zur Klarstellung der Rechtslage zu, hielt sie aber nicht für berechtigt. Aus der Begründung:

Die Aufgabe ärztlicher Aufklärung ist es, dem Patienten die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien zu liefern und ihn in die Lage zu versetzen, die Tragweite seiner Zustimmung zum Eingriff zu überblicken. Eine Einwilligung kann vom Patienten nur dann wirksam abgegeben werden, wenn er über die Bedeutung des vorgesehenen ärztlichen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde. Nach der Rechtsprechung hat ein Nichtarzt, der eine ärztliche Behandlung vornimmt, jedenfalls über das Fehlen seiner ärztlichen Qualifikation aufzuklären, ansonsten ist eine allfällige Einwilligung in die Behandlung unwirksam. Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die Aufklärung über das Fehlen der ärztlichen Qualifikation dazu führt, dass das Risiko einer nicht fachgerechten Leistung ausschließlich beim Vertragspartner liegt.

Die Beklagte hat jedoch nur darauf verwiesen, dass ihr die ärztliche Befugnis fehlt, zugleich aber herausgestrichen, die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Durchführung der Behandlung zu haben. Da die Beklagte behauptet hat, die für die Erbringung der angebotenen Leistungen erforderlichen Fähigkeiten zu besitzen, hat sie auch für diese einzustehen. Das betrifft aber nicht nur die Ausführung, sondern auch die für eine wirksame Einwilligung zur Behandlung erforderliche Aufklärung. Eine solche ist hier nicht ausreichend erfolgt. Ohne eine ordnungsgemäße Aufklärung liegt aber keine wirksame Einwilligung, sondern vielmehr eine rechtswidrige Körperverletzung vor, für deren Folgen die Beklagte der Klägerin grundsätzlich zu haften hat.

Im vorliegenden Fall war der Klägerin allerdings bekannt, dass es sich um eine Behandlung handelt, die eine medizinische Ausbildung voraussetzt, über die die Beklagte nicht verfügte. Sie wusste weiters, dass die Behandlung einen körperlichen Eingriff erfordert, der zu einer internen körperlichen Reaktion führen sollte. Aufgrund der Gesamtumstände ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin hätte erkennen können, dass die Beklagte als Kosmetikerin nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine solche Behandlung verfügt und nicht befähigt ist, die angebotenen Leistungen zu erbringen. Dass sie sich dessen ungeachtet auf die Behandlung eingelassen hat, muss sie sich nach § 1299 ABGB zurechnen lassen. Der OGH stimmte daher der vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten der Beklagten zu.