OGH-Entscheidung vom 11.11.2025, 1 Ob 155/25p

 

Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall hatten die Kläger zugunsten ihres landwirtschaftlich genutzten Grundstücks ein Wasserbezugsrecht durch Ersitzung erworben. Dieses Recht belastete die Grundstücke der Beklagten, auf denen sich die entsprechende Quelle befand. Die Beklagte installierte eine Videokamera zur Überwachung des Quellbereichs. Neben der Frage der Videoüberwachung stritten die Parteien auch darüber, ob das Wasserbezugsrecht wegen Zwecklosigkeit erloschen sei und ob der Beklagten ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehe.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben der Klage im Wesentlichen statt und untersagten der Beklagten die Videoüberwachung des Quellbereichs.

Der OGH wies die außerordentliche Revision zurück und bestätigte das Verbot der Videoüberwachung. Er stellte klar, dass eine Überwachung mittels Kamera in Bereichen, die mit Nutzungsrechten Dritter belastet sind, nur unter engsten Voraussetzungen zulässig sein kann. Das Eigentumsrecht der Beklagten genügt als Rechtfertigungsgrund nicht, weil die technische Überwachung die Ausübung der Servitut unzulässig beeinträchtigen würde. Während eine rein menschliche Beobachtung punktuell und situativ ist, greift eine Videoüberwachung durch ihre Intensität und Dauerhaftigkeit erheblich stärker in Persönlichkeitsrechte ein.

Die Beklagte konnte auch kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse darlegen. Ihr Hinweis auf eine angeblich eingeschränkte Privatsphäre der Kläger auf den dienenden Grundstücken war unbehelflich, weil es für die Unzulässigkeit nicht eines Eingriffs in den höchstpersönlichen Lebensbereich bedarf. Entscheidend war vielmehr, dass die Kläger die Servitut nur ausüben können, wenn sie dabei nicht einer ständigen technischen Überwachung ausgesetzt sind. Eine solche Maßnahme ist nur zulässig, wenn sie unbedingt erforderlich wäre, um die schonende Ausübung des Rechts zu kontrollieren. Dafür zeigte die Beklagte keine nachvollziehbaren Gründe auf.

Auch das geltend gemachte Sicherheitsinteresse überzeugte nicht. Die Beklagte stützte dieses auf frühere verbale Auseinandersetzungen, die jedoch jeweils von ihr selbst ausgingen. Eine objektive Gefährdungslage wurde nicht festgestellt. Der OGH verneinte daher ein berechtigtes Interesse, potenzielle Konflikte oder Drohungen durch eine Videoüberwachung abzuwehren oder zu dokumentieren.

Schließlich erwies sich auch das Vorbringen, die Kamera diene der Beobachtung von Wildtieren, als nicht tragfähig. Nach den Feststellungen wurde sie ausschließlich mit dem Ziel installiert, die Kläger und deren Sohn zu filmen. Zudem wäre nicht erkennbar gewesen, weshalb gerade der Servitutsbereich zu diesem Zweck überwacht werden müsste.

 

 

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