EuGH-Urteil vom 11.12.2014, Rechtssache C 212/13

Sachverhalt:

Ein Mann in Tschechien hatte an seinem Haus eine Überwachungskamera installiert. Die Kamera war fest installiert, nicht schwenkbar und zeichnete den Eingang seines Hauses, den öffentlichen Straßenraum sowie den Eingang des gegenüberliegenden Hauses auf. Die Anlage ermöglichte nur eine Videoaufzeichnung auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, der Festplatte. Sobald deren Kapazität erreicht war, wurde die vorhandene Aufzeichnung mit einer neuen überschrieben. Die Aufzeichnungsvorrichtung hatte keinen Bildschirm, so dass das Bild nicht in Echtzeit betrachtet werden konnte. Einziger Grund für den Betrieb dieser Kamera sei es gewesen, das Eigentum, die Gesundheit und das Leben des Mannes selbst und seiner Familie zu schützen. Sowohl er selbst als auch seine Familie waren nämlich während mehrerer Jahre Ziel von Angriffen eines Unbekannten gewesen, der nicht hatte entlarvt werden können.

Dank der Videoüberwachungsanlage konnten zwei Verdächtige identifiziert werden. Die Aufzeichnungen wurden der Polizei übergeben und anschließend im Rahmen des eingeleiteten Strafverfahrens verwertet. Einer der Verdächtigen beantragte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Überwachungssystems.

Nach dem innerstaatlichen Verfahren wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob der Betrieb eines Kamerasystems, das an einem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebracht ist, unter die Verarbeitung personenbezogener Daten, „die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird“, im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46 gefasst werden kann, obwohl dieses System auch den öffentlichen Raum überwacht?

Entscheidung:

Der EuGH verneinte die Vorlagefrage und sprach aus, dass die vorgenommene Videoaufzeichnung keine Datenverarbeitung darstellt, die im Sinne dieser Bestimmung zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.

Aus der Begründung:

Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt unter den Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht. Videoüberwachung fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, sofern es sich dabei um eine automatisierte Verarbeitung handelt. Eine Überwachung – wie im Ausgangsverfahren – mittels einer Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, der Festplatte, stellt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten dar. Die Datenschutzrichtlinie zielt darauf ab, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere ihrer Privatsphäre, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Schutz des in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechts auf Privatleben, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen. Die in Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich vorgesehene Ausnahme dieser Richtlinie (Verarbeitung wird von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen) ist eng auszulegen. Demnach reicht es nicht aus, dass die Datenverarbeitungen persönlicher oder familiärer Art sind, sondern sie müssen „ausschließlich“ persönlicher oder familiärer Art sein. Gegebenenfalls sind jedoch die berechtigten Interessen des für die Verarbeitung Verantwortlichen insbesondere auf der Grundlage von Art. 7 Buchst. f, Art. 11 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. d und g der Datenschutzrichtlinie zu berücksichtigen, worunter u. a. – wie im Ausgangsverfahren – der Schutz des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens des für die Verarbeitung Verantwortlichen und seiner Familie fällt.

Das Oberste Verwaltungsgericht in Tschechien hat nun anhand dieser Wertungen den Fall zu entscheiden.