OGH-Entscheidung vom 26.3.2025, 6 Ob 50/24g

 

Sachverhalt:

Ein österreichischer Geschäftsführer einer Baugesellschaft beauftragte für ein Bauvorhaben eine slowakische Subunternehmerin. Als diese nicht bezahlt wurde, veröffentlichte ein von ihr beauftragtes slowakisches Inkassounternehmen auf der deutschsprachigen Website www.betruger.at Informationen über den Geschäftsführer. Dieser wurde dort namentlich als „Betrüger“ bezeichnet und ihm wurde vorgeworfen, sich durch Nichtzahlung von Rechnungen unrechtmäßig bereichert zu haben. Auch Fotos von ihm und seinem Fahrzeug wurden ohne seine Zustimmung veröffentlicht.

Der Geschäftsführer forderte die slowakische Host-Providerin, auf deren Servern die Website gespeichert war, zur Löschung der Inhalte auf. Diese lehnte ab und verwies darauf, dass sie nur auf gerichtliche Anordnung tätig werden könne. Daraufhin klagte der Geschäftsführer die Host-Providern auf Unterlassung.

 

Entscheidung:

Während das Erstgericht die Klage abwies, gab das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren statt. Der OGH hob beide Urteile auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung zurück.

Der OGH entschied, dass der Unterlassungsanspruch nach slowakischem Recht zu beurteilen ist. Der OGH bekräftigte, dass gemäß § 20 ECG grundsätzlich das Recht des Niederlassungsstaates des Dienstleisters (hier: der Slowakei) anzuwenden ist. Nach dem in der E-Commerce-Richtlinie verankerten Herkunftslandprinzip richtet sich die Haftung eines Diensteanbieters grundsätzlich nach dem Recht seines Sitzstaates. (Siehe dazu auch HIER und HIER im Blog.)

Von diesem Prinzip kann zwar zum Schutz bestimmter Rechtsgüter abgewichen werden, etwa bei schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde bzw einem Eingriff in den Kernbereich der Persönlichkeitsrechte. Aber nicht jede rufschädigende oder ehrenrührige Aussage rechtfertigt ein Abgehen vom Herkunftslandprinzip. Die hier erfolgten ehrenrührigen Äußerungen im geschäftlichen Kontext erreichen nach Ansicht des OGH aber nicht den dafür erforderlichen Schweregrad. Sie betreffen nur den beruflichen Bereich und nicht den besonders geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsrechte (Gesundheit, Sexualleben, Familienleben).

Da die slowakische Rechtslage bisher nicht ausreichend ermittelt wurde, hob der OGH die Vorentscheidungen auf. Das Erstgericht muss nun das anwendbare slowakische Recht umfassend erheben, insbesondere zu den Voraussetzungen von Unterlassungsansprüchen gegen Host-Provider.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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