OGH-Entscheidung vom 21.1.2025, 4 Ob 189/24h
Sachverhalt:
Ein Reiseveranstalter bot Maturareisen mit Party- und Eventcharakter an und hatte für den Zeitraum 27.6. bis 9.7.2020 eine solche Reise nach Istrien (Kroatien) geplant. Im Zuge der sich ausbreitenden COVID-19-Pandemie entwickelte der Veranstalter im April 2020 einen Maßnahmenkatalog mit PCR-Tests, Plexiglaswänden etc.
Am 21.4.2020 teilte er seinen Kunden mit, dass eine kostenlose Stornierung nur bei Vorliegen einer Reisewarnung der Stufe 6 und auch dann erst 7 Tage vor Reiseantritt möglich sei. Stattdessen bot er einen um 30% reduzierten Stornosatz oder eine Umbuchung an.
Der VKI klagte auf Unterlassung.
Entscheidung:
Die Vorinstanzen gaben dem Unterlassungsbegehren statt. Insbesondere hätten Teilnehmer an der Maturareise entweder mit dem erheblichen Risiko einer Gesundheitsgefährdung durch eine Erkrankung an COVID-19 und/oder einer wesentlichen Beeinträchtigung des Party- und Eventcharakters der Maturareise durch behördliche Maßnahmen rechnen müssen. Die Verbraucher seien entgegen der Behauptung der Beklagten daher auch am 21. 4. 2020 sehr wohl zum kostenfreien Rücktritt von der gebuchten Pauschalreise nach § 10 Abs 2 PRG berechtigt gewesen.
§ 10 Abs 2 PRG sieht vor, dass der Reisende vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Entschädigung vom Pauschalreisevertrag zurücktreten kann, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
Der OGH wies die außerordentliche Revision des Reiseveranstalters zurück.
Der EuGH hat bereits klar ausgesprochen, dass ein Verbraucher gemäß Art 12 Abs 2 Pauschalreise-RL EU 2015/2302 von einer Pauschalreise zurücktreten kann, wenn ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsreisender im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vernünftigerweise annehmen kann, dass unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände die Durchführung seiner Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort wahrscheinlich erheblich beeinträchtigen würden. Dies gilt somit auch für den Rücktritt nach § 10 Abs 2 PRG, der die Pauschalreise-RL in nationales Recht umsetzt.
Trotz sinkender Infektionszahlen und anstehender Lockerungen war im April 2020 absehbar, dass die Maturareise im Juli nicht in der geplanten Form mit Party- und Eventcharakter würde stattfinden können. Die vom Veranstalter vorgesehenen Schutzmaßnahmen bestätigten gerade, dass erhebliche Einschränkungen zu erwarten waren.
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