OGH-Entscheidung vom 25.6.2024, 4 Ob 96/24g

 

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte 2019 von der Beklagten ihren Pkw Baujahr 2008 mit einem Kilometerstand von 95.500 km um EUR 9.100. Das Fahrzeug wies ein noch sieben Monate gültiges „Pickerl“ (Prüfplakette nach § 57a KFG) auf.

Anlässlich der Besichtigung wurde der Zustand des Fahrzeugs nicht besprochen. Der Kläger nahm lediglich das Fahrzeug auf sichtbare Schäden in Augenschein und unternahm eine kurze Probefahrt. Der schriftliche Kaufvertrag lautete: „Ich verkaufe Ihnen und Sie kaufen von mir das mir gehörige Fahrzeug […] in gebrauchtem Zustand, wie besichtigt und probegefahren, ohne jede Gewährleistung“.

Eine Woche nach der Übergabe war ein Leistungsverlust des Fahrzeugs beim Beschleunigen bemerkbar, der seine Ursache in einer schon bei der Übergabe vorliegenden Verstopfung im Motor hatte. Nach insgesamt 200 km Fahrt führte das zu einem Motorschaden.

Der Kläger begehrte die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückerstattung des Kaufpreises.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Beide Instanzen hielten die Fahrbereitschaft des Pkws aufgrund von Preis und Kilometerstand für eine (schlüssig) zugesicherte Eigenschaft, die deshalb vom Gewährleistungsverzicht nicht umfasst sei. Das Berufungsgericht bejahte auch einen gemeinsamen Irrtum.

Der OGH gab der Revision des Beklagten jedoch Folge.

Vertragsinhalt beim Gebrauchtwagenkauf ist das konkrete Fahrzeug. Der Käufer hat mit den dem Alter und den gefahrenen Kilometern entsprechenden Verschleiß- und Abnützungserscheinungen zu rechnen. Das Fahrzeug muss aber die nach der Verkehrsauffassung gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften haben. Dazu gehört in der Regel auch die Verkehrs- und Betriebssicherheit.

Die Verkehrs- und Betriebssicherheit eines Gebrauchtwagens ist im Regelfall eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft, für die der Verkäufer einzustehen hat. Ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss steht der Geltendmachung des Fehlens dieser gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft entgegen. Nur beim Kauf vom gewerblichen Kraftfahrzeughändler ist die Verkehrs- und Betriebssicherheit im Regelfall auch schlüssig zugesichert und überlagert damit einen – nach Maßgabe des § 9 KSchG zulässigen – Gewährleistungsverzicht. Handelt der Verkäufer nicht gewerblich mit Kraftfahrzeugen, kommt eine schlüssige Zusicherung der Verkehrs- und Betriebssicherheit nur bei besonderen Umständen in Betracht.

Da hier beide Parteien technische Laien sind, verfügte die Verkäuferin im Hinblick auf verborgene Mängel über keinen Wissensvorsprung gegenüber dem Käufer.

Das Klagebegehren wurde daher abgewiesen.

 

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