Urteil des EuGH vom 27.4.2023 in der Rechtssache C‑686/21

 

Sachverhalt:

Vier Personen sind gemeinsame Inhaber einer nationalen Marke und einer Unionsmarke. 1993 beschlossen die Inhaber, einem Lizenznehmer eine ausschließliche unentgeltliche Lizenz auf unbestimmte Zeit zur Benutzung der Marken zu erteilen. Einer der Inhaber sprach sich 2006 gegen eine Fortführung dieser Lizenzvereinbarung aus und begehrte schließlich vor Gericht die Feststellung, dass die weitere Benutzung der Lizenzmarken durch den früheren Lizenznehmer rechtswidrig ist. Erstinstanzlich wurde die Benutzung der Marken nach Beendigung der Lizenzvereinbarung durch den (einen) Lizenzgeber für rechtswidrig erklärt. Das Berufungsgericht änderte das Urteil teilweise ab, da zwar keine Einstimmigkeit der Inhaber erforderlich sei, jedoch die Mehrheit (dh drei der vier Markeninhaber) entscheiden müsse. Der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtsgerichtshof, Italien) beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Entscheidung:

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die hier anwendbare Verordnung Nr. 40/94 (Gemeinschaftsmarkenverordnung; später ersetzt durch die Unionsmarkenverordnung) zwar die Möglichkeit der Mitinhaberschaft an einer Unionsmarke anerkennt, aber keine Bestimmung enthält, die die Voraussetzungen regelt, unter denen die gemeinsamen Inhaber einer solchen Marke die Rechte aus der Marke, wie etwa über die Erteilung oder Entziehung einer Lizenz zur Benutzung zu entscheiden, ausüben können.

Aus Art. 16 Abs. 1 der Verordnung ergebe sich, dass die Unionsmarke als Gegenstand des Vermögens wie eine nationale Marke behandelt wird. Folglich richten sich die Modalitäten über die Erteilung oder Entziehung einer Lizenz nach dem Recht dieses Mitgliedstaats, wenn eine maßgebliche Bestimmung in der Verordnung fehlt.

Die Frage, ob die Erteilung oder Entziehung einer Lizenz zur Benutzung einer in Mitinhaberschaft stehenden nationalen oder Unionsmarke einen einstimmigen oder einen mehrheitlich gefassten Beschluss der gemeinsamen Inhaber erfordert, unterliegt daher dem anwendbaren nationalen Recht.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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