Urteil des EuGH vom 8.6.2023 in der Rechtssache C‑654/21

 

Sachverhalt:

Der Inhaber einer Unionsmarke, die in mehreren Waren- und Dienstleistungsklassen (u.a. Berufsberatung, Bildungsberatung) registriert ist, klagte einen Unternehmer auf Unterlassung, der unter einem gleichlautenden Kennzeichen Ratgeber für Bewerber für den Polizeidienst anbot. Als Reaktion erhob der Unternehmer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit der Unionsmarke. Der Umfang der Widerklage war jedoch weiter (und umfasste mehr Waren und Dienstleistungen, als die Unterlassungsklage umfasst hatte).

Das erstinstanzliche Gericht (Regionalgericht Warschau) wies die Verletzungsklage im Ganzen ab. In Bezug auf die Widerklage fragte sich das Gericht, inwieweit es über die Widerklage zu befinden hat, wenn ihr Gegenstand über ein „Verteidigungsmittel“ gegen die Verletzungsklage hinausgeht. Daher setzte es das Verfahren aus und legte es dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

 

Entscheidung:

Der EuGH hielt zunächst fest, dass eine Widerklage dadurch, dass sie die Erweiterung des Streitgegenstands impliziert, trotz ihres Zusammenhangs mit der Klage Eigenständigkeit erlangt. Die Widerklage unterscheidet sich mithin von einem bloßen Verteidigungsmittel, und ihr Schicksal hängt nicht von demjenigen der Verletzungsklage ab, aus deren Anlass sie erhoben wurde. Ihr Gegenstand kann somit nicht durch den Inhalt des Verletzungsverfahrens begrenzt werden, in dessen Rahmen die Widerklage erhoben wurde.

Im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung stellte der EuGH fest, dass der Unionsgesetzgeber genau wie dem EUIPO auch den Unionsmarkengerichten im Rahmen ihrer Entscheidungen über Widerklagen eine Zuständigkeit für die Prüfung der Gültigkeit von Unionsmarken übertragen wollte.

Art. 124 Buchst. d in Verbindung mit Art. 128 Abs. 1 der Unionsmarkenverordnung (2017/1001) ist daher dahin auszulegen, dass eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit einer Unionsmarke sämtliche Rechte betreffen kann, die der Inhaber dieser Marke aus ihrer Eintragung ableitet, ohne dass die Widerklage in ihrem Gegenstand durch den Rahmen begrenzt wird, der durch die Verletzungsklage abgesteckt wird.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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