EuGH-Urteil vom 27.10.2022, Rechtssache C‑129/21

 

Sachverhalt:

Ein belgischer Anbieter von Telekommunikationsdiensten bietet auch Teilnehmerverzeichnisse und Telefonauskunftsdienste an. Diese Verzeichnisse enthalten Namen, Adressen und Telefonnummern der Teilnehmer verschiedener Anbieter öffentlich zugänglicher Telefondienste.

Einer dieser Teilnehmer forderte den Anbieter auf, seine Kontaktdaten nicht zu veröffentlichen. Nach Erhalt von aktualisierten Daten des fraglichen Teilnehmers, die nicht als vertraulich ausgewiesen waren, wurden diese nach einem automatisierten Verfahren verarbeitet und neu veröffentlicht; sie waren auch über Google auffindbar.

 

Entscheidung:

In seinem gestern verkündeten Urteil bestätigt der EuGH, dass die Einwilligung des Teilnehmers für die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten in einem öffentlichen Teilnehmerverzeichnis erforderlich ist. Diese Einwilligung erstreckt sich auf jede weitere Verarbeitung der Daten durch dritte Unternehmen, die auf dem Markt für öffentlich zugängliche Telefonauskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse tätig sind, sofern diese Verarbeitung denselben Zweck verfolgt. Eine solche Einwilligung setzt nicht unbedingt voraus, dass die betroffene Person zum Zeitpunkt ihrer Erteilung die Identität aller Anbieter von Verzeichnissen kennt, die ihre personenbezogenen Daten verarbeiten werden.

Der EuGH wies außerdem darauf hin, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben müssen, die Löschung ihrer personenbezogenen Daten aus Teilnehmerverzeichnissen zu erwirken. Der Antrag eines Teilnehmers auf Entfernung seiner Daten könne als Ausübung des „Rechts auf Löschung“ im Sinne der DSGVO angesehen werden. Aus den in der DSGVO geregelten allgemeinen Verpflichtungen ergebe sich, dass ein für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, um die anderen Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen, denen er solche Daten geliefert hat, über den Widerruf der Einwilligung der betroffenen Person zu informieren.

Ein solcher Verantwortlicher muss außerdem den Telefondienstanbieter, der ihm die personenbezogenen Daten übermittelt hat, informieren, damit dieser die Liste der personenbezogenen Daten, die er dem Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen nach einem automatisierten Verfahren übermittelt, anpasst. Wenn sich nämlich verschiedene Verantwortliche auf eine einheitliche Einwilligung der betroffenen Person stützen, genügt es, dass sich die betroffene Person, um ihre Einwilligung zu widerrufen, an irgendeinen der Verantwortlichen wendet. Ein Verantwortlicher wie der belgische Anbieter von Telekommunikationsdiensten habe zudem nach der DSGVO angemessene Maßnahmen zu treffen, um auch Suchmaschinenanbieter über den Antrag des Teilnehmers auf Löschung seiner personenbezogenen Daten zu informieren.

 

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