OGH-Entscheidung vom 29.3.2022, 4 Ob 218/21v

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Mieterin eines Geschäftslokals. Sie betreibt dort ein Handels- und Gastronomieunternehmen. Der Verkaufsraum nimmt etwa zwei Drittel der gemieteten Gesamtfläche ein, auf der restlichen Fläche befinden sich Lager, Büro und Personalräume. Die Filiale war während aller drei Lockdowns der Corona-Pandemie geschlossen. In diesen Zeiträumen wurden keine Umsätze erzielt. Die Mitarbeiter der Klägerin waren in dieser Zeit nur reduziert anwesend und führten unter anderem eine Inventur durch und schickten Ware zurück, etc.

Die Klägerin begehrte vor Gericht die Rückzahlung des gesamten während der drei Lockdowns gezahlten Mietzinses.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung (nur) im Ausmaß von zwei Drittel der geleisteten Mietzinszahlungen. Der OGH wies die Revisionen beider Parteien gegen dieses Urteil als unzulässig zurück.

Der OGH hat bereits ausgesprochen (siehe zB hier und hier), dass die COVID-19-Pandemie als „Seuche“ im Sinn des § 1104 ABGB zu werten ist und aufgrund dieser Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote für Geschäftsräume zu deren Unbenützbarkeit führen. Ist die Nutzung hingegen nur eingeschränkt, so kommt es gemäß § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung. Dabei ist die Unbrauchbarkeit anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen, wobei die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit den Mieter trifft.

Das streitgegenständliche Mietobjekt war während der drei Lockdowns geschlossen und es wurden dort keine Umsätze erzielt. Die Klägerin nutzte jedoch ein Drittel der Räume als Lager, Büro und Personalraum. Die Geschäftsfläche war daher auch während der Sperre für den Kundenbetrieb dem Geschäftsbetrieb der Klägerin zumindest teilweise dienlich. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte setzte das Berufungsgericht die Höhe der Mietzinsminderung auf Basis eines Restnutzens im Ausmaß eines Drittels fest. Der OGH hielt diese Entscheidung für vertretbar; ebenso die Vertragsauslegung der Vorinstanzen, wonach die Vereinbarung, dass die Beklagte für keinen Geschäftsausfall, höhere Gewalt oder Fremdverschulden hafte, es sei denn, dem Mieter stehen diesbezüglich gesetzliche Rechte zu, so zu verstehen ist, dass die hier geltend gemachten Rechte nach §§ 1104 ff ABGB vom Haftungsausschluss ausgenommen wurden.

 

 

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