OGH-Entscheidung vom 12.10.2021, 1 Ob 131/21b

 

Sachverhalt:

Eine Konsumentin kaufte einen Festivalpass (3-Tagesticket). Der Preis des Tickets betrug 169,99 EUR. Die beklagte Veranstalterin verkaufte neben den Mehrtagestickets auch Tagestickets. Das Festival musste wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt werden.

Der Sachverhalt fiel in den zeitlichen Anwendungsbereich des Bundesgesetzes zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (kurz: KuKuSpoSiG). Dieses Gesetz sieht die Möglichkeit vor, anstatt der Rückzahlung des Kaufpreises einen Gutschein über den zu erstattenden Betrag zu übergeben, der betragsmäßig (auf 70 EUR) begrenzt ist.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Erstattung von 70 EUR in Form eines Gutscheins sowie die Zahlung von 99,99 EUR. Der diesen Betrag übersteigende Teil des Entgelts sei in bar rückzuerstatten.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin einen Gutschein über 70 EUR auszustellen und zu übergeben. Das Mehrbegehren auf Zahlung von 99,99 EUR wies es ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der OGH befand die Revision der Klägerin zwar für zulässig, aber unberechtigt:

§ 1 KuKuSpoSiG lautete auszugsweise:

„(1) Wenn ein Kunst-, Kultur- oder Sportereignis aufgrund der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 entfallen ist und der Veranstalter deshalb einem Besucher oder Teilnehmer den Eintritts- oder Teilnahmepreis oder ein vergleichbares Entgelt zurückzuzahlen hat, kann der Veranstalter dem Besucher oder Teilnehmer anstelle der Rückzahlung einen Gutschein über den zu erstattenden Betrag übergeben […]

(4) Wenn das zu erstattende Entgelt den Betrag von 70 EUR, nicht aber jenen von 250 EUR übersteigt, kann sich der Veranstalter oder Betreiber nur bis zum Betrag von 70 EUR durch die Übergabe eines Gutscheins von seiner Rückzahlungspflicht befreien; den 70 EUR übersteigenden Teil des Entgelts hat er hingegen dem Besucher oder Teilnehmer zurückzuzahlen.“

Der Gesetzeswortlaut legt die Auslegung nahe, dass sich die Regelung in § 1 Abs 4 KuKuSpoSiG auf ein einzelnes Kulturereignis und den Preis für eine Eintrittskarte, die zu dessen Besuch berechtigt, beziehen soll. Die Frage, ob ein einziges einheitliches Kulturereignis gebucht oder die Berechtigung zum Besuch mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Ereignisse erworben wurde, ist grundsätzlich nach der Verkehrsauffassung zu beantworten. Für diese ist vor allem die Bewerbung und sonstige Vermarktung der Veranstaltung maßgeblich. Bei – wie im vorliegenden Fall – mehrtägigen Veranstaltungen wird grundsätzlich von einem einheitlichen und damit einzigem Kulturereignis auszugehen sein, wenn der Veranstalter ausschließlich Tickets ausgibt, mit denen die Berechtigung verbunden ist, alle Einzelelemente in der gesamten Veranstaltungszeit zu besuchen. Werden hingegen Tagestickets für die einzelnen Veranstaltungstage angeboten, spricht dies für mehrere rechtlich voneinander unabhängige Ereignisse.

Der OGH kam daher zu dem Ergebnis, dass § 1 Abs 1 iVm Abs 4 KuKuSpoSiG dahin auszulegen ist, dass der Veranstalter nach dem COVID-19-bedingten Entfall einer mehrtägigen Kunst- bzw Kultur- oder Sportveranstaltung, für die auch Tagestickets gekauft werden konnten, für jeden einzelnen Veranstaltungstag einen Gutschein bis zu 70 EUR ausstellen kann und nur das über diesen Betrag pro Veranstaltungstag hinausgehende (anteilige) Entgelt bar zurückzuerstatten hat.

Der Revision der Klägerin wurde daher nicht Folge gegeben.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

 

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