OGH-Entscheidung vom 14.9.2021, 8 ObA 54/21f

 

Sachverhalt:

Die Klägerin wurde positiv auf Covid19 getestet. Folglich galt sie bis zum Vorliegen weiterer Testergebnisse als Corona-Verdachtsfall und wurde zur Absonderung aufgefordert. Ungeachtet dessen erschien die Klägerin am nächsten Tag – eigenmächtig und ohne den Dienstgeber darüber zu informieren – zum Dienst. Sie war der Ansicht, dass nur eine tatsächliche Erkrankung und nicht ein positives Testergebnis allein maßgeblich sei.

Dadurch setzte sie zumindest fahrlässig alle Kolleginnen ihrer Abteilung der Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit aus. Der Dienstgeber sprach daher die Entlassung der Klägerin aus, gegen die die Klägerin nun klagte.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Auch der OGH wies die dagegen erhobenen ao. Revision zurück.

Ob sich ein Bediensteter einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflicht schuldig gemacht und dadurch Vertrauensunwürdigkeit vorliegt, hängt davon ab, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet sind. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Arbeitnehmers das Vertrauen des Dienstgebers so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Diesbezüglich entscheidet allerdings nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzuwenden ist. Für den Entlassungsgrund genügt Fahrlässigkeit; Schädigungsabsicht oder Schadenseintritt sind nicht erforderlich.

Für den OGH erwies sich die Einstellung der Klägerin als problematisch. Denn sie verkannte, dass ihr nicht ihre Erkrankung zum Vorwurf gemacht wurde, sondern dass sie die Anordnung, die Wohnung zur Verhinderung einer möglichen Verbreitung von SARS-CoV-2 nicht zu verlassen, ignorierte, obgleich sie vor Vorliegen des Testergebnisses eine Infektion nicht ausschließen konnte und so durch ihr Verhalten eine Gefährdung der Gesundheit ihrer Kolleginnen und der Interessen ihres Dienstgebers an einem reibungslosen Dienstbetrieb in Kauf nahm.

Im Ergebnis stimmte der OGH daher den Vorinstanzen darin zu, dass die Klägerin den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt hat.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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