OLG Wien-Entscheidung vom 21.08.2025, 2 R 73/25g
Sachverhalt:
Die Klägerin, eine Mediengesellschaft, betreibt ein Rundfunkprogramm. Im Zusammenhang mit einer tödlichen Hundebissattacke in Oberösterreich im Oktober 2023 veröffentlichte die Klägerin auf ihrer Plattform einen Artikel samt Video, in dem eine Tierexpertin zu Fragen der Hundehaltung und Gebrauchshundeausbildung interviewt wurde. Das Video wurde im Auftrag der Klägerin von einem Mitarbeiter geschaffen, der der Klägerin umfassende Werknutzungsrechte einräumte.
Der beklagte Verein, der sich der Ausbildung von Gebrauchs- und Rettungshunden widmet, veröffentlichte auf seiner Website einen rund 28 Sekunden langen Ausschnitt aus diesem Video. Der Verein stellte diesen Ausschnitt in einen kritischen Kontext zur Position der Journalistin, die zuvor strengere Regeln für die private Schutz- und Gebrauchshundeausbildung gefordert hatte.
Eine Zustimmung der Klägerin zur Veröffentlichung lag nicht vor. Die Klägerin begehrte vor Gericht, den Beklagten zur Unterlassung der Vervielfältigung und öffentlichen Zurverfügungstellung des Videos zu verpflichten. Weiters begehrte sie die Zahlung von EUR 5.000 sowie Urteilsveröffentlichung.
Der Verein berief sich auf das Zitatrecht gemäß § 42f UrhG und die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art 10 EMRK, da er eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Aussagen der Journalistin beabsichtigt habe.
Entscheidung:
Das Handelsgericht Wien gab der Klage gegen den Verein teilweise statt. Es bejahte eine Urheberrechtsverletzung, untersagte die weitere Veröffentlichung des Videos, sprach der Klägerin ein Entgelt von EUR 800 zu und gestattete die Urteilsveröffentlichung auf der Website des Vereins.
Das Oberlandesgericht Wien bestätigte das Urteil des Erstgerichts im Wesentlichen. Es hielt fest, dass die Veröffentlichung des Videoausschnitts ohne Zustimmung der Klägerin einen Eingriff in deren ausschließliche Werknutzungsrechte nach §§ 15 und 18a UrhG darstellt. Der inkriminierte Ausschnitt sei ein Teil eines Filmwerks im Sinne des § 4 UrhG.
Eine Rechtfertigung durch das Zitatrecht gemäß § 42f UrhG bestehe nicht. Das Gericht führte aus, dass ein nach § 42f UrhG zulässiges Bildzitat erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen müsse. Es müsse eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden. Zu fragen sei auch immer, ob der Zitatzweck nicht anders gleichermaßen hätte erreicht werden können, beispielsweise durch Darstellung mit eigenen Worten. Ein Zitat ist nur dann zulässig, wenn es eine Beleg- oder Auseinandersetzungsfunktion hat und die Verwendung des fremden Werks notwendig ist, um den eigenen Gedankengang zu verdeutlichen. (Siehe etwa HIER, HIER, HIER oder HIER im Blog.) Dies sei hier nicht der Fall, da der behauptete argumentative Widerspruch der Journalistin auch durch eine wörtliche Wiedergabe ihrer Aussagen oder einen bloßen Verweis auf das Originalvideo belegbar gewesen wäre. Die visuelle Gestaltung des Videos habe keinen Beitrag zur inhaltlichen Argumentation des Vereins geleistet, sodass der Eingriff nicht durch einen legitimen Zitatzweck gedeckt war.
Die Berufung auf Art 10 EMRK führte zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sei die Veröffentlichung Teil einer gesellschaftlichen Debatte über Hundehaltung und Ausbildung, der Eingriff in die Rechte der Klägerin sei jedoch nicht notwendig gewesen, um an dieser Diskussion teilzunehmen. Die Veröffentlichung diente vielmehr der Illustration und Aufmerksamkeitslenkung, nicht der inhaltlichen Auseinandersetzung. Auch eine Beweisfunktion der Videosequenz verneinte das Gericht.
Das Veröffentlichungsbegehren wurde abgewiesen, weil aus dem Unterlassungsbegehren nur die Widerrechtlichkeit einer nicht näher spezifierten Veröffentlichung ohne jeden Kontext hervorgehe, sodass kein Urteilsveröffentlichungsinteresse bestehe.
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