OLG Graz-Entscheidung vom 18.7.2024, 4 R 111/24m

 

Sachverhalt:

Eine GmbH wollte ihren Firmenwortlaut auf „Know Center Research GmbH“ ändern. Bei ihrem Unternehmen handle es sich um ein europaweit führendes Innovations- und Spitzenforschungszentrum für vertrauenswürdige KI und Data Science. Im Rahmen ihres Marktauftritts präsentiere sich das Unternehmen stets als „Know Center“ und erziele dabei eine nicht unerhebliche Reichweite (rund 3.000 Follower auf LinkedIn; 226.983 Impressionen im Jahr 2022).

Das Unternehmen ist auch Inhaberin u.a. der folgenden Wortbildmarke:

Entscheidung:

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Begriffe „Know“, „Know Center“ und „Research“ und der zusammengesetzte Wortlaut „Know Center Research“ seien je eine allgemeine Bezeichnung ohne Unterscheidungskraft. Das OLG Graz gab dem Rekurs des Unternehmens Folge.

Die Firma ist nach § 17 Abs 1 UGB der in das Firmenbuch eingetragene Name eines Unternehmers, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Nach § 18 Abs 1 UGB muss die Firma zur Kennzeichnung des Unternehmers geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Gleichzeitig darf die Firma nicht irreführend sein. Keine Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft haben reine Gattungsbezeichnungen oder Branchenangaben. Auch bloß geschäftliche Bezeichnungen, beschreibende Angaben oder Begriffe der allgemeinen Sprache sind zur Individualisierung grundsätzlich nicht geeignet. Bei Fantasiefirmen wird in aller Regel die Unterscheidungsfähigkeit größer sein als bei Sach- und Personenfirmen. Probleme können aber dort auftreten, wo sie nur aus Allgemeinbegriffen gebildet werden.

Eine reine Gattungsbezeichnung wird nur dann schutzfähig und als Firma verwendbar, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt hat. Zur Auslegung des Begriffs der Verkehrsgeltung liegt (nur) Rechtsprechung zum Urheber- und Markenschutzrecht vor. Danach bedeutet Verkehrsgeltung, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in dieser besonderen Bezeichnung einen eindeutigen Hinweis auf einen bestimmten Rechtsträger und ein bestimmtes Unternehmen erblickt.

Taugliche Bescheinigungsmittel für Verkehrsgeltung sind beispielsweise Handelskammergutachten oder Sachverständigengutachten. Die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen über deren Eigenauftritt in sozialen Medien sowie vereinzelte Zeitungsartikel weisen jedoch nicht zwingend auf eine Verkehrsgeltung hin.

Durch die Firmenliberalisierung wurde die Verwendung von Marken als Firma zulässig. Die Wortbildmarke „KNOW Center“ belegt grundsätzlich, dass die Wortfolge zumindest in Kombination mit der graphischen Ausgestaltung markenrechtlich als betrieblicher Herkunftshinweis genügte oder durch Benutzung Verkehrsgeltung erlangte. An die Unterscheidungskraft der Firma sind im Firmenrecht jedenfalls nicht höhere Ansprüche zu stellen als im Markenrecht. Das Wort „Know“ allein oder „Know Center“ bezeichnet keine Gattung oder Branche. Die Wortfolge „Know Center“ individualisiert im gegebenen Zusammenhang als Kunstwort und Teil der eingetragenen Wortbildmarke gerade noch hinreichend den Gattungsbegriff „Research“, sodass der maßgebliche gesamte Wortlaut als Mischfirma dem OLG als zulässig erschien. Die gewählte Wortkombination „Know Center“ erzeugt bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine besondere Gedankenoperation und ein Nachdenken, weil es sich um keinen korrekten englischen Ausdruck handelt. Sie weist damit eine gewisse Originalität auf, ist ungewöhnlich und nicht bloß beschreibend.

Eine Abfrage im Firmenbuch ergab, dass nur die Antragstellerin den Wortlaut „Know Center“ im Firmenwortlaut enthält. Die Ergebnisse von Internet-Suchmaschinen würden sich ausschließlich auf die Antragstellerin beziehen, wobei die Treffer nicht nur Eigenwerbung oder den gesamten bisherigen Firmenwortlaut beinhalten, sondern auch Zitate gesellschaftsfremder Organisationen, welche die Gesellschaft als „Know Center GmbH“ oder „Know Center“ bezeichnen. Diese Umstände, eine positive Stellungnahme der Wirtschaftskammer Steiermark und die eingetragene Wortbildmarke bei geringer Kennzeichnung durch das graphische Element würden für die von der Antragstellerin behauptete Unterscheidungskraft durch Verkehrsgeltung sprechen.

Das OLG Graz betonte, dass die im Rahmen der Firmenliberalisierung ausdrücklich vorgesehene Vereinfachung des firmenbuchgerichtlichen Verfahrens nur erreicht werden könne, wenn sich auch die Prüfung der Verkehrsgeltung auf eine Grobprüfung beschränkt.

Da es den Firmenwortlaut als nicht irreführend erachtete und auch keine verwechslungsfähige Firma am selben Ort oder in derselben Gemeinde im Firmenbuch eingetragen ist, gab das OLG Graz dem Rekurs Folge und bewilligte die Eintragung.

 

Link zur Entscheidung

 

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