OGH-Entscheidung vom 24.7.2024, 1 Ob 52/24i
Sachverhalt:
Der Kläger registrierte sich auf einer Glückspiel-Website, die laut Impressum von der Erstbeklagten gemeinsam mit der Zweitbeklagten (mit Sitz in Malta) betrieben wird. Laut den AGB war die Erstbeklagte seine Vertragspartnerin in Bezug auf Sportwetten sowie virtuelle Wetten, die Zweitbeklagte seine Vertragspartnerin in Bezug auf Casino-Spiele und Poker.
Der Kläger ist spielsüchtig und war während der Teilnahme an den Online-Glücksspielen geschäftsunfähig. Der Kläger begehrte von den Beklagten die (Rück-)Zahlung seiner Spielverluste.
Das Verfahren gegen die Zweitbeklagte wurde wegen des in Malta anhängigen Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die auf deren Homepage zugänglichen Glücksspiele wurden von beiden Beklagten angeboten. Der Kläger argumentierte, dass diese folglich gemäß § 1301 ABGB zur ungeteilten Hand hafteten.
Die Erstbeklagte wandte das Fehlen ihrer Passivlegitimation ein, weil die Verträge über die Casino- und Pokerspiele ausschließlich zwischen dem Kläger und der insolventen Zweitbeklagten abgeschlossen worden seien und mit ihr nur der Vertrag über Sportwetten zustande gekommen sei, an welchen der Kläger nicht teilgenommen habe. Dass die beiden Beklagten sich einen Webauftritt teilten, könne die Haftung der Erstbeklagten nicht begründen.
Entscheidung:
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten Folge, wies das Klagebegehren ihr gegenüber ab. Der OGH befand die Revision des Klägers für zulässig und auch berechtigt.
Der Kläger stützte sich im Revisionsverfahren nur mehr auf eine deliktische Haftung der Erstbeklagten (denn er hatte mit dieser keinen Vertrag über die getätigten Glücksspiele abgeschlossen).
Die (deliktische) Haftung der Erstbeklagten hing entscheidend davon ab, ob sie einen gemeinschaftlichen Beitrag zur Schadensentstehung nach § 1301 ABGB gesetzt hat. Ein solcher ist auch gegeben, wenn einvernehmlich eine Norm (vorsätzlich oder sorgfaltswidrig) übertreten wird, die einen Schaden verhindern sollte. Nach den Feststellungen war die Erstbeklagte nicht Veranstalterin der vom Kläger gespielten Glücksspiele. Allerdings waren die Erst- und die Zweitbeklagte – wie sich unstrittig schon aus dem Impressum ergab – gemeinsam Betreiber der Website.
Unternehmen, welche eine Website betreiben, zählen nach der Legaldefinition des E-Commerce-Gesetzes in der Regel als Diensteanbieter, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellen. Für sie gilt die Verpflichtung, den Nutzern allgemeine, in § 5 ECG genannte, Informationen zur Verfügung zu stellen. Durch diese Angaben soll dem Nutzer die Identifizierung und die Kontaktaufnahme mit dem Diensteanbieter ermöglicht/erleichtert werden. Der Nutzer soll im Konfliktfall einen Anknüpfungspunkt für eine etwaige Rechtsverfolgung erhalten (siehe zb HIER).
Dass die Erstbeklagte gemeinsam mit der Zweitbeklagten im Impressum der Website aufscheint, lässt darauf schließen, dass sie die dort abrufbaren Dienste anbietet und dafür verantwortlich zeichnet. Auch wenn die AGB klarstellen, dass die Erstbeklagte nur die Sportwetten und virtuellen Wetten anbietet, teilte sie sich mit der Zweitbeklagten einen Webauftritt. Damit ermöglichte sie die von der Zweitbeklagten veranstalteten Ausspielungen Roulette und Black Jack im Sinn eines Zugänglichmachens: Sie duldete die Ausspielungen der Zweitbeklagten, von denen sie nach den Feststellungen wusste, auf ihrer Website, über die sie verfügungsberechtigt war. Aus der bloßen Tatsache, dass sich die Beklagten einen Webauftritt teilten, ist zu schließen, dass sie offenkundig auf wechselseitige Synergieeffekte setzten.
Damit war ein relevanter Beitrag der Erstbeklagten zu den verbotenen Ausspielungen der Zweitbeklagten und damit einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes zu bejahen, der die deliktische Haftung der Erstbeklagten nach § 1301 ABGB für die Spielverluste des Klägers begründet.
Der OGH gab der Revision des Klägers Folge zu geben und stellte das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts wieder her.
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