OGH-Entscheidung vom 23.9.2022, 4 Ob 80/22a

 

Sachverhalt:

Die Klägerin vertreibt die einzigen beiden in Österreich zugelassenen cannabis-basierten Arzneimittelspezialitäten. Diese enthalten die Wirkstoffe Cannabidiol (CBD) und Dronabinol (THC). Die Muttergesellschaft der Beklagten stellt CBD und THC in Arzneistoffqualität her, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln verwendet zu werden. Die Schwesterngesellschaft der Beklagten vertreibt diese Wirkstoffe im Internet an Arzneigroßhändler. Die Beklagte erbringt unter anderem Marketing- und Werbedienstleistungen für den Konzern. Sie fördert den Absatz von CBD und THC unter anderem über ihr passwortgeschütztes Online-Portal, zu dem nur Ärzte, Apotheker und Arzneimittelhersteller Zutritt haben.

Die Klägerin begehrte vor Gericht, der Beklagten die Bewerbung von CBD und THC durch konkret genannte Aussagen zu ihren therapeutischen Effekten zu untersagen. Die Beklagte verletze die arzneimittelrechtlichen Werbebestimmungen des AMG und verschaffe sich so einen Wettbewerbsvorteil durch Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, schränkte aber einige der Unterlassungsgebote durch Zusätze ein. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH befand den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin für unzulässig.

Gemäß § 1 Abs 1 AMG sind Arzneimittel nicht nur solche Stoffe, die tatsächlich zur Wiederherstellung, Korrektur oder Beeinflussung von physiologischen Funktionen oder zur medizinischen Diagnose verabreicht werden können (sog Funktionsarzneimittel), sondern auch alle Stoffe oder Zubereitungen von Stoffen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bestimmt sind (sog Präsentationsarzneimittel).

Dagegen wurden Wirkstoffe und Hilfsstoffe gemäß den Vorgaben der Richtlinie 2011/62/EU aus dem Arzneimittelbegriff herausgenommen und fallen damit – anders als nach der früheren Rechtslage – aus dem Anwendungsbereich der für Arzneimittel geltenden Vorschriften heraus.

Wirkstoffe sind nach der aktuellen Definition in § 1 Abs 4a AMG Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung eines Arzneimittels verwendet zu werden und bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen des Arzneimittels zu werden. Konstitutives Element des Wirkstoffbegriffs ist also seine Zweckbestimmung. Für die Einordnung als Wirkstoff oder (Präsentations-)Arzneimittel kommt es also darauf an, ob aus einem Stoff erst ein Arzneimittel hergestellt werden soll, oder ob er bereits als anwendungsbereites Mittel eingesetzt werden soll.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nicht Wille des Herstellers zur Zweckbestimmung, sondern es sind objektivierte Maßstäbe anzulegen. Bei der Prüfung, ob ein Präsentationsarzneimittel vorliegt, ist nach der Rechtsprechung deshalb entscheidend, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Angaben zum Produkt auffassen, welchen Gesamteindruck sie vom Zweck des Produkts aufgrund von Verpackung und Werbeankündigungen bekommen.

Der OGH bestätigte die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach die von der Beklagten mit ihrem passwortgeschützten Onlineportal angesprochenen Fachkreise CBD und THC als bloße Wirkstoffe einordnen und nicht davon ausgehen würden, dass diese auch als Reinsubstanzen Patienten verabreicht werden könnten.

 

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