OGH-Entscheidung vom 21.12.2017, 4 Ob 190/17w

Sachverhalt:

Die Beklagte vertreibt im Internet unter anderem Produkte mit den Bestandteilen Zeolith (Klinoptilolith) und Bentonit. Diese Naturalmineralien hätten schadstoffbindende Eigenschaften und seien für die „natürliche Entgiftung“ geeignet. Die Beschreibung der Produkte enthielt den Hinweis auf die Zulassung von Bentonit als pharmazeutischer Hilfsstoff sowie als Zusatzstoff in Futtermitteln in der Funktionsgruppe „Stoffe zur Verringerung der Kontamination von Futtermitteln mit Mykotoxinen“ und für alle Tierarten in den Funktionsgruppen „Bindemittel“, „Trennmittel“ und „Stoffe zur Beherrschung einer Kontamination mit Radionukliden“ in der EU.

Auf Ihrer Facebook-Seite bestätigte die Beklagte auch die Anwendbarkeit ihrer Zeolith/Bentonit-Produkte bei Hautsymptomen wie Ekzemen sowie – unter Hinweis auf die geprüfte Arzneibuch-/Apothekenqualität – die Eignung für Mensch und Tier.

Der Kläger (WIWE-Schutzverband zur Förderung lauteren Wettbewerbs im In- und Ausland) beantragte, der Beklagten zu verbieten, ihre Produkte mit dem Bestandteil Zeolith (Klinoptilolith) und/oder Bentonit als Medizinprodukte anzubieten und zu vertreiben, wenn diese tatsächlich nicht als Medizinprodukt zugelassen sind, sowie diese Produkte mit krankheitsbezogenen Angaben, wie die Anwendbarkeit bei Ekzemen oder Arthrosen, oder gesundheitsbezogenen Angaben, wie „zur natürlichen Entgiftung, zur Entgiftung im gesundheitlichen Bereich und zur Herabsetzung krankheitserregender Faktoren“ sowie als „vegan, laktosefrei und glutenfrei“ zu bewerben.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren teilweise statt. Der OGH sprach aus, dass die beklagte Partei es ab sofort im geschäftlichen Verkehr in Österreich zu unterlassen habe, Produkte mit Zeolith (Klinoptilolith) und/oder Bentonit krankheitsbezogen zu bewerben (wie beispielsweise eine Anwendung bei Ekzemen oder Arthrose) sowie mit gesundheitsbezogenen Angaben zu bewerben, wenn dies verboten ist, wie beispielsweise mit den Worten ‚zur natürlichen Entgiftung‘, ‚zur Entgiftung im gesundheitlichen Bereich‘ und ‚zur Herabsetzung krankheitserregender Faktoren‘.

Medizinprodukte iSd § 2 Abs 1 Z 1 MPG sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe oder andere Gegenstände, einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.

§ 1 Abs 1 AMG definiert Arzneimittel als Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die (Z 1) zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind, oder (Z 2 lit a) im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.

Es gibt daher zwei Gruppen von Arzneimitteln, nämlich jene, die wegen ihrer tatsächlichen Funktion Arzneimittel sind, und solche, die so eine Funktion zwar nicht haben, nach der Aufmachung des Produkts aber zu haben vorgeben (Präsentationsarzneimittel). Auch Präsentationsarzneimittel sind grundsätzlich den Bestimmungen des AMG zur Gänze unterworfen.

Medizinprodukte gemäß § 2 Abs 1 MPG sind gemäß § 1 Abs 3 Z 11 AMG keine Arzneimittel. Erfüllt ein Produkt sowohl die Definition des Arzneimittels gemäß § 1 Abs 1 bis 3 AMG als auch die Definition eines in einem anderen Bundesgesetz geregelten Produkts, so sind auf dieses Produkt ausschließlich die Bestimmungen des AMG anzuwenden (§ 1 Abs 3a AMG; sog „Vorrangregelung“).

Ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke oder ein Nahrungsergänzungsmittel, dem in seiner Aufmachung heilende oder lindernde Wirkung zugeschrieben wird, ist daher ausschließlich nach dem Arzneimittelrecht zu beurteilen.

Die beanstandeten Produkte der Beklagten wurden vom OGH daher als Präsentationsarzneimittel beurteilt. Damit schied die Anwendung der Regeln des MPG aus und die berufungsgerichtliche Abweisung des auf einen Verstoß gegen das MPG gerichteten Unterlassungsbegehrens erfolgte daher zu Recht. Stattgegeben wurde jedoch den auf das Arzneimittelrecht gestützten Begehren.