OGH-Entscheidung vom 17.9.2021, 4 Ob 135/21p

 

Sachverhalt:

Das Zeichen „Schweppes“ ist weltweit für Getränke bekannt (u.a. Tonic Water). Es existiert zwar keine entsprechende Unionsmarke, aber das Zeichen ist seit Langem in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) als nationale Marke eingetragen.

Die Markenrechte wurden in Parallelmarken aufgespalten. Ein Unternehmen ist Inhaberin der Markenrechte für „Schweppes“ in mehreren vorwiegend osteuropäischen Ländern (ua in Kroatien und Bosnien-Herzegowina) sowie im Vereinigten Königreich. Die Klägerin ist Inhaberin der übrigen Parallelmarken, ua in Österreich.

Die Beklagte wollte 1.296 Flaschen mit der Marke Schweppes aus Bosnien-Herzegowina nach Österreich importieren. Die Waren wurden aber vom Zollamt Salzburg nach den Bestimmungen der Produktpiraterieverordnung vorläufig sichergestellt.

Die Klägerin begehrte vor Gericht, der Beklagten die Benutzung (insbesondere die Einfuhr und das Inverkehrbringen) von Waren in Österreich zu verbieten, die mit den klägerischen Marken gekennzeichnet sind und die nicht von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung von einem ihrer Lizenznehmer im EWR in Verkehr gebracht worden sind.

Die Beklagte wandte dagegen die Erschöpfung des Markenrechts nach § 10b MSchG ein. Die sichergestellten Flaschen seien mit Zustimmung Inhaberin der kroatischen Marke und somit für den europäischen Markt hergestellt worden.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der OGH wies die Revision der Beklagten zurück:

Grundsätzlich kommt einem Markeninhaber nicht das Recht zu, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Es gilt der Grundsatz der bloß EWR-weiten Erschöpfung. Das Markenrecht ist daher nur erschöpft, wenn die Ware vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht worden ist. Ein Beklagter hat dabei zu beweisen, dass die (konkret) betroffenen Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im EWR auf den Markt gebracht wurden. Damit soll eine sogenannte „Marktabschottung“ verhindert werden, die grenzüberschreitende Lieferungen im Binnenmarkt unterbinden könnte.

Im Fall freiwilliger Markenaufspaltung auf voneinander unabhängige Unternehmen kann jedes Unternehmen die Einfuhr von Waren des jeweils anderen Unternehmens mit dem geschützten Zeichen in jenem Mitgliedstaat, in dem sein Markenrecht besteht, grundsätzlich abwehren.

Nach einem richtungsweisenden EuGH-Urteil, kann sich der Inhaber einer nationalen Marke der Einfuhr identisch gekennzeichneter Waren aus einem anderen Mitgliedstaat, in dem ein Dritter Markeninhaber ist, allerdings dann nicht widersetzen, wenn die Marke ursprünglich demselben Inhaber gehörte und die nunmehrigen Inhaber durch einen einheitlichen Markenauftritt im Verkehr Verwirrung über die betriebliche Herkunft geschaffen haben oder sie sich koordinieren, um die Nutzung der Marke gemeinsam zu kontrollieren.

Im vorliegenden Fall erachteten die Gerichte die Zustimmung der Klägerin zur von der Beklagten angestrebten Einfuhr der beschlagnahmten Waren aus einem Drittstaat nach Österreich (also in den EWR) auch für den Fall einer Markenaufspaltung (Parallelmarken) für notwendig.

Die Erschöpfung des Markenrechts ist davon abhängig, dass genau jene Warenexemplare in Verkehr gebracht worden sind, für die Erschöpfung geltend gemacht wird. Das war nach dem Sachverhalt zu verneinen, zumal die gegenständlichen Waren (= 1.296 Flaschen mit der Marke Schweppes) nicht für Kroatien, sondern für Österreich bestimmt waren. Der Sachverhalt unterschied sich zudem deutlich von der Konstellation, die der oben verlinkten Entscheidung des EuGH zugrundelag.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

Blog-Beiträge zum Erschöpfungsgrundsatz im Markenrecht:

Online-Shop bedruckt Versandkartons mit bekannten Marken: Keine Markenrechtsverletzung

Verwendung einer Wortbildmarke außerhalb eines selektiven Betriebssystems

Weiterverbreitung von Markenware im EWR: Vertriebswege und Erschöpfung des Markenrechts unklar – Klage rechtsmissbräuchlich?

Verweis auf bekannte Marke in Werbefilm: Unzulässige Bestimmungsangabe?