OGH-Entscheidung: OGH 27.8.2013, 4 Ob 122/13i

Grundsätzliches:

Der Erschöpfungsgrundsatz im Markenrecht besagt im Prinzip, dass ein Markeninhaber, der seine Ware unter seiner Marke im EWR in Verkehr bringt, die Weiterverbreitung im EWR grundsätzlich nicht verhindern kann. Diese Regelung soll die markenrechtlichen Ausschließungsrechte mit dem freien Warenverkehr in Einklang bringen.

Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin weltweit mit dem Vertrieb ihrer Markenware tätig. Die beklagte Partei vertrieb Markenware der Klägerin im EWR, die bis dahin nur außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurde.

Die Beklagte brachte im Verfahren vor, dass auf den Waren vermerkt sei, dass sie für eine Zone „EMEA“ – dh Europa, Naher Osten (Middle East) und Afrika – bestimmt seien. Während die Klägerin aufgrund der Seriennummern feststellen könne, wo ein konkretes Produkt innerhalb dieser Vermarktungszone erstmals in Verkehr gebracht worden sei, könnten andere Marktteilnehmer diesen Ort aber weder aus den Angaben auf der Verpackung noch aus der Seriennummer ableiten. Die Klägerin gewähre keinen Zugriff auf ihr Datensystem. Für einen Käufer sei daher nicht ersichtlich, ob er bei einer Weiterveräußerung rechtmäßig handle. Selbst wenn er das Produkt innerhalb des EWR erwerbe, könne er nicht sicher sein, dass die Ware mit Zustimmung des Markeninhabers im EWR in Verkehr gebracht worden sei.
Insgesamt argumentierte die Beklagte daher, dass die Klägerin mit ihrer Klage rechtsmissbräuchlich vorgehe.

Entscheidung:

Nachdem bereits die Vorinstanzen im Sinne der Klägerin entschieden hatten, schloss sich auch der OGH an und wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten mit folgender Begründung als unzulässig zurück:

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt die Behauptungs- und Beweislast für die Erschöpfung des Markenrechts grundsätzlich beim Beklagten. Anderes gilt nur dann, wenn der Beklagte nachweisen kann, dass – etwa aufgrund eines ausschließlichen Vertriebssystems – eine Marktabschottung drohte, wenn er seine Bezugsquellen offenlegen müsste; in diesem Fall muss der Markeninhaber das Inverkehrbringen außerhalb des EWR behaupten und beweisen. Auf eine drohende Marktabschottung hat sich die Beklagte nicht berufen. Daher musste sie behaupten und beweisen, dass die Ware mit Zustimmung des Markeninhabers im EWR in Verkehr gebracht wurde. Diesen Beweis hat sie nicht angetreten, sondern sich ausschließlich auf ein angeblich rechtsmissbräuchliches Geltendmachen des Markenrechts berufen. Diesem Einwand sind die Vorinstanzen zutreffend nicht gefolgt. Schädigungsabsicht als alleiniger Grund für die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall nicht einmal ansatzweise erkennbar.

Die Beklagte könnte mit dem Rechtsmissbraucheinwand daher nur Erfolg haben, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen ihren und den Interessen der Klägerin bestünde. Davon kann aber keine Rede sein: Eine generelle Pflicht des Markeninhabers, seine Vertriebswege offen zu legen, lässt sich aus dem Markenrecht nicht ableiten; eine solche – allerdings nur prozessuale – Obliegenheit besteht nach der dargestellten Rechtsprechung nur dann, wenn dem Beklagten wegen einer sonst drohenden Marktabschottung nicht zugemutet werden kann, seine Bezugsquellen offen zu legen.

Die Prämisse der Beklagten, dass sie mangels entsprechender Kennzeichnung durch den Markeninhaber nie wissen könnte, ob das Markenrecht erschöpft sei, trifft schlicht nicht zu. Denn sie kann von ihren Lieferanten verlangen, die Bezugsquelle der Ware zu nennen und dafür Nachweise vorzulegen. Auf diese Weise kann sie den Vertriebsweg zurückverfolgen, ohne auf die Mitwirkung des Markeninhabers angewiesen zu sein. Tut sie das nicht oder bleibt der Vertriebsweg unklar, so handelt sie beim Weiterverkauf auf eigenes Risiko.

Dass die Klägerin auf eine konkrete Anfrage der Beklagte eine ihr leicht mögliche Auskunft zum erstmaligen Inverkehrbringen einer bestimmten Ware verweigert hätte, hat die Beklagtent in erster Instanz nicht behauptet. Ob das Geltendmachen von markenrechtlichen Ansprüchen in einem solchen Fall rechtsmissbräuchlich wäre, war daher nicht zu prüfen.