OGH-Entscheidung vom 20.12.2018, 4 Ob 181/18y

Sachverhalt:

Die Beklagte, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, betreibt eine Online-Plattform, auf der weltweit Tickets für Veranstaltungen gehandelt werden können. Unter anderem hat sie eine Website mit der Top Level Domain „.at“ eingerichtet.

Der Kläger ist ein Wettbewerbsschutzverband und begehrte, es der Beklagten zu verbieten, auf der für den österreichischen Markt ausgerichteten Website die Tätigkeit eines Kartenbüros auszuüben, sofern sie in Österreich über keine Gewerbeberechtigung als Kartenbüro verfügen.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender internationaler und örtlicher Zuständigkeit zurück. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers statt und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten verwarf und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens auftrug. Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten. Der OGH lies den Revisionsrekurs zu, hielt ihn aber für nicht berechtigt. Aus der Begründung:

Die hier für die internationale Zuständigkeit maßgebende Bestimmung des Art 5 Nr 3 LGVÜ II entspricht inhaltlich Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 bzw Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012. Nach Art 5 Nr 3 LGVÜ II kann eine Person, die ihren (Wohn-)Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Mit der Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens (Handlungsort) gemeint. Bei Distanzdelikten kommt es für den Erfolgsort auf den Eintritt des Primärschadens an.

Im Falle von Lauterkeitsverstößen im Internet haben EuGH und OGH bereits wiederholt besondere Grundsätze festgehalten. Zusammenfassend besagen diese, dass bei einem Verstoß gegen das nationale Lauterkeitsrecht die internationale (örtliche) Zuständigkeit für eine Deliktsklage nach Maßgabe des Erfolgsorts im Verletzungsstaat gegeben ist. Der Verletzungsstaat ist jener Staat, in dem sich die Verletzungshandlung auswirkt (beeinträchtigter Markt) und daher gegen das nationale Lauterkeitsrecht verstößt. Bei einer „Internet-Tat“ kommt es allein auf die Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Website im Verletzungsstaat an.

Diese Voraussetzungen sah der OGH im Anlassfall als gegeben an. Der Kläger behauptet einen Verstoß der Beklagten gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG wegen unlauterer Wettbewerbshandlungen (Verkauf von Tickets für in Österreich stattfindende Veranstaltungen ohne Gewerbeberechtigung), die sich auf dem österreichischen Markt zu Lasten der gesetzestreuen Mitbewerber auswirkten. Ob die beanstandete Website auf Österreich ausgerichtet ist, bleibt für die zuständigkeitsrechtliche Frage ohne Bedeutung; diese Frage wäre aber ohnedies zu bejahen, weil die Beklagte ihre Website auch unter der Top-Level-Domain „.at“ in deutscher Sprache für österreichische Kunden und für österreichische Veranstaltungen betreibt.

Kann auf die beanstandete Website in ganz Österreich zugegriffen werden und kann sich die behauptete unlautere Handlung daher in ganz Österreich nachteilig auswirken, so hat der Kläger die Wahl, seine Klage bei einem der in Betracht kommenden sachlich zuständigen Gerichte in Österreich einzubringen.

Der OGH hatte weiters zu klären, ob die dargelegten Grundsätze für die Bestimmung auch für eine Verbandsklage gelten:

Der OGH gelangte zu dem Ergebnis, dass auch Verbandsklagen sowohl nach dem Verbraucherschutzrecht als auch nach dem Lauterkeitsrecht von Art 5 Nr 3 LGVÜ II (bzw EuGVVO 2001) erfasst sind. Der Begriff des „schädigenden Ereignisses“ ist weit auszulegen und erfasst nicht nur Sachverhalte, in denen ein Einzelner einen individuellen Schaden (oder Rechtsnachteil) erleidet, sondern auch „Angriffe auf die Rechtsordnung“ (wie zB die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln oder durch lauterkeitswidriges Verhalten), die mittels Verbandsklage im kollektiven Verbraucherinteresse oder im Allgemeininteresse abgestellt werden sollen.

Zusammenfassend hielt der OGH für den Anlassfall fest, dass das Erstgericht für die vorliegende Verbandsklage nach Art 5 Nr 3 LGVÜ II zur allfälligen Abstellung wettbewerbswidriger Handlungen der Beklagten in Österreich international zuständig ist. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit hat der klagende Verband die Wahl, seine Klage bei einem der in Betracht kommenden sachlich zuständigen Gerichte in Österreich einzubringen.