BGH-Urteil vom 14.11.2023, X ZR 30/21

 

Sachverhalt:

Die Klägerin nahm die Beklagte wegen Verletzung eines europäischen Patents in Anspruch, das eine Polsterumarbeitungsmaschine betrifft. Die Beklagte stellt Polsterumarbeitungsmaschinen her und vertreibt diese unter Mitwirkung weiterer Unternehmen auch im Wege des Leasings. Daneben vertreibt die Beklagte Papier zur Verwendung in diesen Maschinen.

Die Klägerin machte geltend, dass einige von der Beklagten vertriebene Maschinentypen das Klagepatent verletzen. Sie klagte u.a. auf Zahlung von Schadenersatz, Auskunft und Rechnungslegung; dies auch in Bezug auf die Lieferung von Verbrauchsmaterialien für die patentverletzende Maschinen sowie über diese abgeschlossene Leasing- und Wartungsverträge.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht sah die Klage als teilweise begründet an und verurteilte die Beklagte hinsichtlich eines Teils der Ausführungsformen zur Auskunft und Rechnungslegung auch bezüglich der Lieferung von Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in den angegriffenen Vorrichtungen sowie bezüglich geschlossener Leasingverträge über solche Vorrichtungen.

Der BGH gab der Revision der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass für die Berechnung des durch eine Patentverletzung entstandenen Schadens auf der Grundlage des vom Verletzer erzielten Gewinns grundsätzlich alle Gewinne zu berücksichtigen sind, die mit der Verletzung des Patents in ursächlichem Zusammenhang stehen.

Der Schaden besteht darin, dass der Verletzer die durch das immaterielle Schutzgut vermittelten konkreten Marktchancen für sich nutzt und sie damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entzieht. Ziel der Methoden zur Schadensberechnung ist die Ermittlung desjenigen Betrags, der zum Ausgleich dieses Schadens erforderlich und angemessen ist, und damit die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts des Schutzrechts und der in ihm verkörperten Marktchance. Dieser wird durch den erwarteten, aber entgangenen Gewinn des Schutzrechtsinhabers, durch den tatsächlichen Gewinn des Verletzers oder durch die Gewinnerwartung erfasst, die vernünftige Vertragsparteien mit dem Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung des Schutzrechts verbunden hätten.

Anders als der Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns sind die Schadenskompensation durch Herausgabe des Verletzergewinns und die Kompensation durch Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr nicht auf Ersatz des konkret eingetretenen Schadens gerichtet. Die beiden zuletzt genannten Berechnungsmethoden zielen vielmehr in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Der Anspruch auf Herausgabe des Gewinns beruht auf der Erwägung, dass es unbillig wäre, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf einer schuldhaften unbefugten Benutzung des Schutzrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte.

In welchem Umfang der erzielte Gewinn auf die Schutzrechtsverletzung zurückzuführen ist, lässt sich regelmäßig nicht genau ermitteln, sondern nur abschätzen. Ausgehend hiervon ist der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns auch auf Gewinne gerichtet, die durch den Abschluss von Leasingverträgen über patentgemäße Vorrichtungen erzielt worden sind.

Hierzu gehören Gewinne aus Zusatzgeschäften, die zwar keine Benutzungshandlung im Sinne von § 9 oder § 10 dPatG darstellen, deren Abschluss aber in ursächlichem Zusammenhang mit patentverletzenden Handlungen steht und einen hinreichenden Bezug zu dem verletzenden Gegenstand aufweist. Dem steht nicht entgegen, dass der Gegenstand solcher Geschäfte nicht dem durch das Patent begründeten Ausschließlichkeitsrecht unterliegt.

An dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zur Patentverletzung kann es allerdings fehlen, wenn ein zusätzlicher Gewinn zwar in ursächlichem Zusammenhang mit der Veräußerung einer geschützten Vorrichtung steht, dieser Zusammenhang aber auf Umständen beruht, die mit den technischen Eigenschaften der geschützten Erfindung nichts zu tun haben.

Bei der Berechnung des Schadens, der durch Benutzungshandlungen während der Laufzeit des Patents entstanden ist, sind auch Vorgänge zu berücksichtigen, die erst nach dem Erlöschen des Patents zu einem (zusätzlichen) Schaden geführt haben. Ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung ist in Bezug auf Zusatzgeschäfte schon dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass die damit erzielten Umsätze und Gewinne für die Höhe des Schadensersatzanspruchs von Bedeutung sind.

 

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